Christian Kern hat eine undankbare Aufgabe. Der von vielen erwartete Einbruch von ÖVP-Chef Sebastian Kurz im Laufe des Wahlkampfes ist bisher ausgeblieben. Dessen Vertrauenswerte sind nach wie vor beeindruckend. Von daher ist es naheliegend, dass der Kanzler mit dem Mietrechtspaket ein neues Thema zu forcieren versucht. Dabei geht es um ein rotes Kernanliegen. Die in den vergangenen zehn Jahren enorm gestiegenen Wohnungskosten machen vielen Menschen zu schaffen.

Gewisse Mindeststandards sollten aber auch in der allerheißesten Wahlkampfphase nicht aufgegeben werden. Dazu gehört bei komplexen Themen wie dem Mietrecht oder auch der geplanten Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten eine öffentliche Begutachtung von Gesetzestexten. Nur auf die Experten der Arbeiterkammer und der SPÖ zu hören mag für einen SPÖ-Chef in Ordnung sein, kann aber in der Praxis nur dazu führen, dass Fehler passieren oder übersehen werden.

Wenn nun Herbert Kickl den Kanzler an solche Binsenweisheiten erinnern muss – das sagt viel über die Nervosität der Roten aus. Als Kern vor etwas mehr als einem Jahr von der ÖBB ins Kanzleramt wechselte, hätte er sich wohl selbst nicht träumen lassen, derart schnell auf parteitaktische Spielchen der Kategorie Uralt angewiesen zu sein. Für einen Exmanager ist das kein glaubwürdiger Kurs. Vielleicht ist sein Rückstand auf Kurz auch damit zu erklären.(Günther Oswald, 18.9.2017)