Emmanuel Macron hat mit seiner Arbeitsmarktreform ein durchdachtes, letztlich ausgewogenes Projekt ohne soziale Härtefälle vorgelegt. Die Opposition ließ er geschickt ins Leere laufen, die Gewerkschaften dividierte er auseinander. Und doch gerät sein Reformvorhaben in die Defensive. Hunderttausende sind am Dienstag dagegen auf die Straße gegangen. Mit einer unbedachten Äußerung, seine Gegner seien "Faulenzer, Zyniker und Extreme", schaffte der reformwillige Präsident, wovon CGT-Boss Philippe Martinez nur noch träumen konnte: Er brachte halb Frankreich gegen sich auf und damit sogar gemäßigte Gewerkschafter, Beamte und Studenten an die Protestfront.

Macron brüskiert seine Landsleute zunehmend mit herablassenden Bemerkungen, als wäre ihm jedes Fingerspitzengefühl abhandengekommen. Unlängst klagte er: "Die Franzosen verabscheuen Reformen." Das war schon fast wie ein Demoaufruf gegen sein eigenes Projekt.

Vermutlich wird Macron die Reform durchbringen. Aber zu welchem Preis? Ob die Liberalisierung des Arbeitsmarktes strukturell Jobs schafft, wird sich erst in Jahren weisen. Wichtiger schien der psychologische Effekt der Reform – die dadurch ausgelöste Aufbruchstimmung im Land. Doch wenn Macron nach den Gewerkschaften auch noch die Beamten, die Pensionisten und die Studierenden auf die Straße bringt, muss der Elan unweigerlich zum Erliegen kommen. Macron hat eine Menge "Faulenzer" aufgeweckt. (Stefan Brändle, 12.9.2017)