Als die Softwareentwickler Federico Mena-Quintero und Miguel de Icaza vor rund 20 Jahren das GNOME-Projekt gründeten, hatten sie ein ambitioniertes Ziel vor Augen: Die Entwicklung eines vollkommen freien Desktops. Zwei Jahrzehnte später erfreut sich ihr als Hobby gestartetes Projekt weiterhin einer äußerst aktiven Entwicklung und auch der Unterstützung einiger Unternehmen. Im halbjährigen Rhythmus gibt es dabei neue Versionen, und nun ist diese Zeit wieder einmal gekommen.

Neue Release

GNOME 3.26 verspricht einige zentrale Verbesserungen für den Linux-Desktop. So wurden etwa die Systemeinstellungen weitgehend neugestaltet. Statt dem bisherigen Icon-Gitter gibt es nun eine Liste mit Kategorien, die in einer Seitenleiste untergebracht ist, die eigentlichen Einstellungen erscheinen dann daneben. Passend dazu wurden auch gleich einige Unterkategorien neu gestaltet oder in verschiedene Bereiche aufgeteilt. So gibt es nun etwa getrennte WLAN-Einstellungen, auch die Systeminformationen und Hardware-Einstellungen wurden umsortiert. Prinzipiell ist all dies gut gelungen, manche Unterkategorie wirkt dabei aber etwas versteckt.

Die Systemeinstellungen wurden für GNOME 3.26 neu gestaltet.
Screenshot: Andreas Proschofsky / STANDARD

Den größten Umbau hat aber die Monitor-Konfiguration erfahren, und zwar nicht nur oberflächlich: Die diesbezüglichen Agenden sind nun direkt in den Fenstermanager Mutter gewandert, bisher waren sie im GNOME Settings Daemon angesiedelt. Damit gehen neue Möglichkeiten einher, so kann nun etwa pro Display eine unterschiedliche Pixeldichte festgelegt werden. Derzeit bezeichnet man diese Möglichkeit aber noch als experimentell, zudem ist dies auf Wayland-Sessions beschränkt, da sich solche Dinge unter X11 nicht umsetzen lassen.

Weniger erfreulich ist, dass dieser Umbau derzeit noch so manche Kinderkrankheiten aufweist. So wird etwa bislang – zumindest auf unserem Testsystem – nicht automatisch auf externe Displays gewechselt, wenn der Laptop (ein Thinkpad X220) in eine Docking Station gepackt wird. Hier musste im Test noch manuell gewechselt werden. Bleibt zu hoffen, dass diese Dinge noch vor der Veröffentlichung von auf GNOME 3.26 basierenden Distributions-Updates ausgeräumt werden.

Die neue Suchdarstellung der GNOME Shell.
Screenshot: Andreas Proschofsky / STANDARD

GNOME Shell

Bei der GNOME Shell, die für die zentrale Interaktion mit dem Desktop zuständig ist, gab es wieder einigen Feinschliff. Am Auffälligsten ist dabei das neue Design der Suchfunktion, das deutlich mehr Ergebnisse auf den ersten Blick bietet. Zudem lassen sich jetzt Funktionen wie Logout, Poweroff oder Reboot auch auf diesem Weg initiieren.

Zu den Design-Tweaks gehört, dass die Statuszeile nun von Haus aus semitransparent dargestellt wird, lediglich wenn ein Fenster maximiert wird, folgt der Wechsel auf das gewohnte schwarze Aussehen. Apropos: Es gibt in GNOME 3.26 auch neue Animationen für das Maximieren der Fenster. Gestrichen wurden hingegen jener Bereich, indem die Status Icons veralteter Programme dargestellt wurden. Eine durchaus erfreuliche Entscheidung, hatte dies doch nie so recht zum restlichen Design gepasst, ist dafür aber gern mal unabsichtlich in die Quere gekommen. In der Aktivitätsübersicht werden die Fenster wiederum jetzt etwas größer dargestellt, wobei das gerade aktive blau umrandet ist.

Die Übersicht in der GNOME Shell stellt die einzelnen Fenster nun etwas größer dar.
Screenshot: Andreas Proschofsky / STANDARD

Emojis!

Wer öfters mal mit Smartphone-Nutzern kommuniziert hat, wird es eventuell schon bemerkt haben: Dort erfreut sich eine Erfindung namens "Emojis" einer gewissen Popularität. Mit GNOME 3.26 bekommt nun auch der Linux-Desktop – beziehungsweise das zugrundeliegende Toolkit GTK+ – Unterstützung für die Eingabe solcher Minigrafiken. Damit dies auch klappt, muss diese Möglichkeit natürlich auch von den einzelnen Programmen unterstützt werden, in der aktuellen Version ist dabei allerdings das Chat-Programm Polari die einsame Ausnahme.

Vermischtes

Zu den weiteren Neuerung von GNOME 3.26 gehört die Aufnahme einer Volltextsuche im Dateimanager Nautilus, die also auch die Inhalte der einzelnen Files einbezieht – so diese indexiert werden konnten. Das Virtualisierungs-Frontend Boxes unterstützt jetzt Shared Folders und kann Screenshots erstellen. Bei GNOME Logs werden ähnliche Einträge nun gruppiert, um einen besseren Überblick zu bieten, der GNOME Calendar unterstützt mit der neuen Release wiederkehrende Events und verbessert den Offline-Support. Und der GNOME-eigene Browser kann jetzt seine Daten mit Firefox Sync abgleichen.

Emoji-Support für GTK+-Anwendungen.
Grafik: GNOME

GNOME 3.26 bringt zudem die Aufnahme von GNOME Music, Simple Scan und GNOME To Do in die Liste der Kernanwendungen. Damit sieht man das Set an dort für Distributionen zur Aufnahme vorgeschlagenen Programmen weitgehend vollständig, in den nächsten Releases sind in dieser Hinsicht also keine großen Neuzugänge mehr zu erwarten.

Remote Desktop

Zudem lohnt aber auch ein Blick unter die Haube, gibt es hier doch ebenfalls spannenden Veränderungen. Der Window Manager Mutter hat nämlich Support für Screencasts erhalten, was auch für den Remote-Desktop-Zugriff genutzt werden kann. Derzeit ist das Ganze aber noch als experimentell anzusehen, da hier unter anderem die neue Multimediabibliothek Pipewire zum Einsatz kommt. Insofern gilt es abzuwarten, wie viele Distributionen dieses Feature schlussendlich bereits in ihren nächsten Releases anbieten werden.

Entwicklung

Für Softwareentwickler gab es wieder einige Verbesserungen an der Entwicklungsumgebung Builder. Als Highlight sei hier ein neues Editor Interface genannt, zudem wird jetzt die Suche nach Symbolen quer durch ein gesamtes Projekt unterstützt. Zudem haben viele GNOME-Projekte das Build-System gewechselt: Der Umstieg von den klassischen Autotools auf Meson verspricht vor allem merklich reduzierte Build-Zeiten.

Verfügbarkeit

GNOME 3.26 steht in Form des Source Codes zum Download. Zudem soll es aber die Basis für die kommenden Ausgaben zahlreicher Distributionen darstellen. Allen voran wären hier Fedora 27 und Ubuntu 17.10 zu nennen, wobei letzteres mit dieser Release nach Jahren des Beharrens auf die Eigenentwicklung Unity auf GNOME zurückkehrt. (Andreas Proschofsky, 13.9.2017)