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Die Bundesanwaltschaft fordert für Beate Zschäpe lebenslänglich.

Foto: Peter Kneffel/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

München – Im Mordprozess um die deutsche Terrorgruppe NSU hat die Anklage eine lebenslange Freiheitsstrafe für die Hauptangeklagte Beate Zschäpe gefordert. Außerdem solle das Gericht die besonderer Schwere der Schuld feststellen und eine anschließende Sicherungsverwahrung anordnen, sagte Bundesanwalt Herbert Diemer am Dienstag in seinem Plädoyer vor dem Oberlandesgericht München.

Das entspricht der Höchststrafe nach deutschem Recht. Wenn das Gericht dem Antrag folgt, wäre eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren ausgeschlossen. Die 42-Jährige habe sich als Mitglied einer terroristischen Vereinigung des zehnfachen Mordes, zahlreicher Mordversuche durch zwei Bombenanschläge sowie mehrerer Raubüberfälle schuldig gemacht, sagte Diemer. Jeder Mord und jeder Bombenanschlag rechtfertige schon für sich allein eine lebenslange Strafe.

"Eiskalt kalkulierend"

Insgesamt ließe sich für die von Zschäpe begangenen Taten 14-mal eine lebenslange Strafe verhängen, dazu kämen verschiedene Einzelstrafen zwischen sechs und neun Jahren Haft, sagte der Ankläger. Zschäpe verfolgte Diemers Worte ohne erkennbare Regung, die Ellenbogen auf den Tisch und das Kinn in die Hände gestützt.

Zschäpe sei "ein eiskalt kalkulierender Mensch", sagte Diemer. Menschenleben hätten bei der Durchsetzung ihrer verbrecherischen Ziele keine Rolle gespielt. Zschäpe zeige "eine Menschen- und Staatsfeindlichkeit, die es unumgänglich macht, die besondere Schwere der Schuld festzustellen". Hinzu komme eine besondere Gefährlichkeit Zschäpes, was eine Sicherungsverwahrung nach einer Haftstrafe erforderlich mache.

Zeit zur Läuterung

Eine möglichst lange Strafe könne auch sicherstellen, dass für Zschäpe ausreichend Zeit zur Läuterung und die Allgemeinheit vor ihr geschützt bleibe. Bisher gebe es keinerlei Anzeichen für eine Läuterung Zschäpes, betonte der Bundesanwalt.

"Die Angeklagte ist für ihr Verhalten in vollem Umfang strafrechtlich verantwortlich", sagte der Bundesanwalt. Zschäpe sei zwar den Ermittlungen zufolge nicht selbst an den Tatorten anwesend gewesen, jedoch wegen ihres Wirkens im Hintergrund mitverantwortlich für die Taten ihrer beiden Gefährten Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, die sich das Leben nahmen. Es gebe zudem keine Anhaltspunkte für eine verminderte Schuldfähigkeit Zschäpes infolge einer psychischen Störung. Zschäpe hatte sich in dem Prozess eine passive Rolle im dem Trio zugeschrieben.

Zwölf Jahre für Beihilfe

Für den mitangeklagten mutmaßlichen NSU-Helfer Ralf Wohlleben forderte die Anklage wegen Beihilfe zum Mord zwölf Jahre Haft. Wohlleben soll die Waffe beschafft haben, mit der der NSU neun Morde beging. Für den zweiten Beschaffer der Pistole vom Typ Česka, Carsten S., forderte die Anklage drei Jahre Jugendhaft. S. hatte als einziger Angeklagter von Anfang an umfassend ausgesagt. Ohne seinen Beitrag wäre nach Angaben der Bundesanwaltschaft keine so umfassende Aufklärung möglich gewesen. Er habe "ganz entscheidend" dazu beigetragen, erklärte Diemer die geringe Strafforderung.

Zehn Morde

Die deutsche Bundesanwaltschaft wirft der Gruppe, die sich Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) nannte, zehn Morde, drei Bombenanschläge und 15 bewaffnete Raubüberfälle in den Jahren 1998 bis 2011 zu. Den Ermittlungen zufolge töteten Zschäpes Gefährten Böhnhardt und Mundlos neun Männer türkischer und griechischer Abstammung sowie eine Polizistin.

Zschäpe ist die einzige Überlebende des Trios. Böhnhardt und Mundlos nahmen sich bei der Enttarnung der Gruppe 2011 das Leben. Mit einem Urteil wird frühestens in einigen Wochen nach den Plädoyers der Nebenkläger und Verteidiger gerechnet. Der seit mehr als vier Jahren andauernde Prozess zählt zu den umfangreichsten der deutschen Nachkriegsgeschichte. (APA, Reuters, 12.9.2017)