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Passagiere, deren Flüge gecancelt wurden, warten in der Air-Berlin-Schlange am Flughafen Düsseldorf.

Foto: Roland Weihrauch/dpa via AP

Berlin/Schwechat – Die insolvente Fluggesellschaft Air Berlin hat wegen einer ungewöhnlich hohen Zahl von Krankmeldungen ihrer Piloten am Dienstag bis zum Mittag etwa hundert Flüge annulliert, davon acht von oder nach Wien. Betroffen waren insgesamt 8.000 Passagiere. Auch die österreichische Lufthansa-Tochter Austrian Airlines (AUA) war betroffen. Diese hat derzeit fünf Air-Berlin-Flugzeuge samt Besatzung geleast. "Wir mussten einige Flüge streichen", sagte AUA-Sprecher Wilhelm Baldia Dienstagnachmittag. "Die Mehrheit der Flüge konnten wir durchführen."

Der "Bild"-Zeitung zufolge handelte es sich um eine koordinierte Aktion der Piloten, weil die Geschäftsleitung Verhandlungen zum Übergang des Personals auf den möglichen neuen Eigentümer abgebrochen hat. Rund 200 der 1.500 Piloten hatten sich krankgemeldet, viele nach Unternehmensangaben erst unmittelbar vor dem Flug. Der Generalbevollmächtigte Frank Kebekus warnte: "Wenn sich die Situation nicht kurzfristig ändert, werden wir den Betrieb und damit jegliche Sanierungsbemühungen einstellen müssen."

Hohe Kosten

"Der heutige Tag kostet uns mehrere Millionen Euro", teilte Vorstandschef Thomas Winkelmann mit. Ein stabiler Betrieb sei zwingende Voraussetzung dafür, dass die Verhandlungen mit Kaufinteressenten gelingen. Bisher seien die Beschäftigten professionell mit der schwierigen Situation umgegangen. "Das, was wir jedoch heute bei einem Teil der Belegschaft sehen, ist ein Spiel mit dem Feuer."

Nach Informationen der "B.Z." verliert Air Berlin durch die Ausfälle vom Dienstag vier bis fünf Millionen Euro. Hinzu kämen drei bis vier Millionen Euro Verlust, die die Fluggesellschaft ohnehin pro Tag schreibe.

Inlandsflüge gestrichen

Air Berlin bedauerte die "Unannehmlichkeiten" für die Passagiere und bat alle Betroffenen, vor der Abfahrt zum Flughafen den Status ihres Fluges zu prüfen. Gestrichen wurden vor allem Inlandsflüge. Betroffen war auch die Lufthansa-Tochter Eurowings, die bei Air Berlin Flugzeuge inklusive Piloten und Crew gemietet hat. Der "weit überwiegende Teil" der Flüge finde aber statt. Passagiere sollten sich trotzdem über ihren Flug informieren, riet Eurowings. Bei der österreichischen Air-Berlin-Tochter Niki finden alle Flüge planmäßig statt.

Der "Bild"-Zeitung zufolge gingen den spontanen Krankmeldungen gescheiterte Verhandlungen zwischen der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) und der Geschäftsleitung voraus. In einem internen Schreiben an die Mitarbeiter heißt es demnach, dass die Bemühungen, einen Tarifvertrag zur Ermöglichung eines geordneten Übergangs der Piloten auszuhandeln, am Montag "abgewiesen" worden seien. Zur Begründung hieß es, dass durch einen Sozialplan "mögliche Investoren abgeschreckt" werden könnten.

Zu Verhandlungen bereit

Die Führung von Air Berlin ist dem Schreiben zufolge erst zu Verhandlungen bereit, wenn die Käufer feststehen. "Für uns ist diese Haltung nicht tragbar", schreibt die VC der "Bild" zufolge. Ein reiner Übergang von Flugzeugen ohne die Übernahme des Personals sei für die Gewerkschaft "kein akzeptabler Weg". Die VC zeigte sich dennoch am Dienstag "überrascht" von den vielen Krankmeldungen. "Zu keinem Zeitpunkt hat die VC dazu aufgerufen, sich krankzumelden."

Vereinigung Cockpit hat viel eher an die Mitarbeiter der Fluggesellschaft appelliert, den Betrieb der insolventen Airline sicherzustellen. Es sei "extrem wichtig, dass der Flugbetrieb weiter läuft", sagte Cockpit-Sprecher Markus Wahl am Dienstag in Frankfurt am Main. Ansonsten sei ein Lösungsweg am Verhandlungstisch "unmöglich".

Die Gewerkschaft Verdi erklärte hingegen, sie halte die Krankmeldungen für "keinesfalls verwunderlich". Es sei nicht auszuschließen, dass es auch bei anderen Beschäftigten dazu kommen könne. "Angst und Wut der Air Berliner eskalieren, weil es hier um Existenzen ganzer Familien geht", erklärte Bundesvorstandsmitglied Christine Behle.

Wirtschaftliche Interessen

In allen Gesprächen rund um die insolvente Fluggesellschaft gehe es um wirtschaftliche Interessen, aber nicht um die Arbeitsplätze von mehr als 8.000 Beschäftigten, kritisierte Verdi. Behle rief die Mitarbeiter dennoch auf, den Flugbetrieb aufrechtzuerhalten, um die Arbeitsplätze nicht zu gefährden.

Ein Pilot sprach gegenüber der "Bild"-Zeitung von einem "puren Akt der Verzweiflung". Den Piloten täten die Passagiere leid, aber sie kämpften um ihre "Existenz".

Cockpit befürchtet unterdessen, dass der Langstreckenbetrieb von Air Berlin komplett eingestellt werden könnte. Präsident Ilja Schulz sagte der "Rheinischen Post", es bestehe die Sorge, dass mit enormen Preiserhöhungen die Langstrecke der Fluggesellschaft "so unattraktiv gemacht werden soll, dass sie noch vor der Übernahme eingestampft werden kann". (APA, 12.9.2017)