Sie wurden euphorisch von den Genossinnen und Genossen in Graz gefeiert: SPÖ-Chef Christian Kern, der den Kanzleranspruch stellte, und seine auf die Bühne geholte Gattin Eveline Steinberger-Kern.

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Graz – Allen miesen Umfragen zum Trotz will die SPÖ noch nicht klein beigeben, sondern neu durchstarten. "Hier, vom Wahlkampfauftakt in Graz, wird ein starkes Signal hinausgehen. An alle Besserwisser und Schlechtredner: Wer immer glaubt, dieser Wahlkampf ist bereits verloren, irrt, der fängt erst richtig an", ruft die Moderatorin Donnerstagabend mutmachend in den mit 3.000 Parteimitgliedern gefüllten großen Saal der Grazer Messe.

Gekommen sind alle aus der oberen Etage der SPÖ – bis auf einen: Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, der mit Außenminister Sebastian Kurz am Außen- und Verteidigungsministertreffen in Estland teilnahm.

Jener Mann, der es für die SPÖ richten soll und mit euphorischem Applaus begrüßt wird, knüpft nahtlos an: "Es geht ums Ganze. Und darum, ob sich wieder die Lobbyisten durchsetzen werden. Ob sich jene durchsetzen können, die den Wert des Menschen vom Kontostand abmessen und die glauben, dass man sich Politik kaufen kann."

Schüssels Wiederkehr

Kern ortet wieder eine Gruppe von Politikern, Unternehmern, Meinungsmachern und Lobbyisten am Werk, die "hochmütig wie im Jahr 2000 durchs Land gehen und wieder große Stücke auf Wolfgang Schüssel und Grasser geben und die damalige Buberlpartie für großartig halten. Aber wir werden ihnen klarmachen, dass sie sich zu früh freuen", sagt Kern unter dankbarem, frenetischem Applaus und fügt noch hinzu: "Wir treten mit dem Anspruch an, Nummer eins zu werden. Wir übernehmen die Verantwortung. Mit Österreich spielt man nicht."

Es dauert nicht lang, und Kern nimmt sich des Kontrahenten ÖVP an.

Die ÖVP habe einen neuen Stil versprochen. "Aber was ist passiert? Journalisten werden unter Druck gesetzt, Familien in den Wahlkampf gezogen. Es geht nicht ums Anpatzen, sondern so richtig ums Fertigmachen, ums Hineintunken."

Auf der anderen Seite herrsche Wehleidigkeit. Kern in Erinnerung an den Konflikt um das ORF-"Sommergespräch" in Richtung des ÖVP-Chefs Sebastian Kurz: "Wenn wer seit 15 Monaten Dirty Campaigning macht und dann bei der ersten kritischen Journalistenfrage zu jammern beginnt: Das ist richtig schwach."

Das Auditorium dankt es Kern immer wieder mit lebhaftem Applaus, wenn er mit ordentlichen rhetorischen Hieben auf die ÖVP losgeht.

ÖVP-Großspender

Die Großspender etwa, die die ÖVP mit hohen Beträgen versorgen, machten "das Geschäft ihres Leben. Sie spenden Millionen und bekommen Milliarden zurück." Kern: "Die ÖVP nannte sich früher Wirtschaftspartei. Jetzt kommt sie mit einem Milch-und-Honig-Konzept. Wenn das, was sie vorlegen, ein Wirtschaftsprogramm ist, sind Jerry-Cotton-Hefte Weltliteratur. Sie haben schon einmal Milch und Honig versprochen, und geblieben ist ein Scherbenhaufen. Jetzt kommen dieselben noch mal und bitten: Gebt uns noch einmal eine Chance. Aber erinnert euch: Sie haben alles versprochen und alles gebrochen, und deshalb sollte man diese Partei nicht mehr wählen." Die Genossen und Genossinnen verstehen und klatschen abermals emotionalisiert in die Hände.

Mick Jagger und Erzherzog Johann

Aber auch die FPÖ bekommt einiges ab: "Bevor die FPÖ die Interessen des kleinen Mannes vertritt, wird Mick Jagger beim Konzert in Spielberg den Erzherzog-Johann-Jodler anstimmen." Auch die Wirtschaftspläne der FPÖ orientierten sich an den Gutverdienern. Und im Übrigen wisse man bei den Wirtschaftsprogrammen ohnehin nicht, ob die ÖVP bei der FPÖ abgeschrieben habe oder umgekehrt.

Frauen zurück auf den Heiratsmarkt

"Die Herausforderer" ÖVP und FPÖ kämen jedenfalls mit "Uraltkonzepten" daher, das betreffe auch die blaue Frauenpolitik. Kern: "Sie wollen, dass sich die Frauen am Heiratsmarkt engagieren und nicht am Arbeitsmarkt. Das ist total retro."

Aber auch die ÖVP sei da nicht weit entfernt. "Da machen die ein Wirtschaftsprogramm für Familien und kommen dann drauf, dass es auch Alleinerzieherinnen gibt. Sie sollen ihre Ansprüche nicht beim Finanzamt holen, sondern vom Exmann. 50.000 sitzen auf Unterhaltsforderungen, und die ÖVP sagt, schmeckt, holt es euch von den Männern", unkt Kern und stichelt in Richtung des jungen VP-Chefs Kurz: "Die Lebenswirklichkeit ist schon ein Hund. Aber manches lernt man erst im reiferen Alter."

In seiner immer wieder von lauter Zustimmung unterbrochenen Rede versucht Kern die SPÖ als Gegenmodell zu präsentieren: "Wer sein Land liebt, redet es nicht krank, sondern der packt an. Wir haben gezeigt, welches Potenzial in diesem Land steckt. Wir sind heute beim Wirtschaftswachstum besser als Deutschland. Bei der Arbeitslosigkeit ist eine Trendwende gelungen. Das ist das Ergebnis einer aktiven Politik. Wir verlassen uns nicht auf die unsichere Hand des Marktes."

Die SPÖ werde jedenfalls weiter jenen, "die am Boden liegen", helfen und strikt gegen jeden Rechtspopulismus im Wahlkampf auftreten.

Mit donnerndem Elektrobeat und den Saal füllendem Konfettiregen werden die Genossinnen und Genossen schließlich in den Wahlkampf entlassen. Um die "Botschaft von Graz" weiterzutragen. (Walter Müller, 7.9.2017)