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Die südkoreanische Kriegsmarine beim jährlichen Herbstmanöver am vergangenen Dienstag.

Foto: Reuters/Yonhap/Republic of Korea Navy

STANDARD: Ihre Regierung erwartet weitere feindselige Aktivitäten im Norden. Pjöngjangs UN-Botschafter spricht von neuen "Geschenkpaketen", die verschickt werden sollen. Was genau bedeutet das?

Park: Es ist schwer zu sagen, was sie damit meinen. Die Absicht ist jedenfalls Provokation. Sie wollen die Oberhand in zukünftigen Verhandlungen gewinnen. Ihre Intention ist es, als Nuklearmacht anerkannt zu werden. Sobald ihnen das gewährt wird, können sie als gleich starker Partner in Gespräche mit den USA treten – über Abrüstung, aber eben nicht über eine völlige Denuklearisierung des Landes. Der jüngste Atomtest ist hier ein "game changer". Damit ist das Programm in den finalen Status der Waffenfähigkeit gelangt.

STANDARD: Und das steht in Zusammenhang mit den fortwährenden Raketentests ...

Park: Damit wollen sie beweisen, dass ihre Interkontinentalraketen auch das US-Festland erreichen können. Damit gewinnen sie eine Abschreckungsfähigkeit, die die Vereinigten Staaten davon abhalten könnte, auf der Koreanischen Halbinsel zu intervenieren, falls dort etwas geschehen sollte. Das wäre eine sehr ernsthafte Bedrohung unserer Sicherheit.

STANDARD: Auch wenn Pjöngjangs Ingenieure laut Nachrichtendiensten noch nicht so weit sind, kleine Nuklearsprengköpfe für Interkontinentalraketen herzustellen – de facto ist Nordkorea bereits eine Atommacht. Warum das nicht anerkennen und dann verhandeln?

Park: Das sollten wir keinesfalls tun. Wir müssen stattdessen ein Maximum an Druck ausüben, um Pjöngjangs Kalkül zu verändern. Nordkorea fährt ein Atomprogramm, weil sich das Regime von den USA bedroht sieht. Sie glauben, Saddam Hussein oder Muammar Gaddafi wäre mit Atomwaffen nicht gefallen. Die Realität allerdings ist das Gegenteil: Je mehr sie die Region destabilisieren, desto größer ist die Gefahr für ihr Regime. Die echte Gefahr für Kim Jong-un kommt von innen. Wenn seine Regierung nicht für die minimalen Bedürfnisse der Bevölkerung aufkommt, wird er Probleme bekommen. Deshalb sollte die internationale Gemeinschaft alle Finanzströme nach Nordkorea unterbinden. Nur das kann Kim auf den rechten Pfad, zurück zum Verhandlungstisch, führen. Er muss wissen, dass er nur so überleben kann. Gleichzeitig muss die internationale Gemeinschaft eine einstimmige Botschaft an Nordkorea aussenden, dass tatsächlich Hilfe bereitsteht, sobald das Atomprogramm aufgegeben wird.

STANDARD: Diese Einstimmigkeit gibt es nicht: Putin bezweifelt den Wert von Sanktionen. China hat spezielle Interessen in der Region. Die US-Regierung tut sich schwer, eine eigene Position zu finden. In dieser Situation scheint Druck eher das Gegenteil des Gewünschten in Pjöngjang auszulösen.

Park: Alle Akteure haben klargemacht, dass sie keine weiteren Provokationen nach dem sechsten Atomtest mehr dulden werden. Auch die Chinesen. Wir versuchen Peking und Moskau von weiteren Sanktionen zu überzeugen. Sie sollen Pjöngjang zu den Gesprächen zurückbringen.

STANDARD: Würde China Warenströme und Energiezufuhr nach Nordkorea abdrehen, wäre Kims Rückkehr an den Verhandlungstisch eine Frage von Wochen, oder?

Park: Noch vor zwei Jahren hat Peking einen Boykott nordkoreanischer Kohle abgelehnt, nach dem fünften Atomtest kam dieser. Ähnlich könnte es auch dieses Mal sein. Sie könnten zum Beispiel eine schrittweise Kürzung der Öllieferungen ins Auge fassen.

STANDARD: Es gab Berichte über südkoreanische Spezialeinheiten, die einen Enthauptungsschlag in Pjöngjang planen. Stimmt das?

Park: Das ist nichts Neues. Und solche Pläne bedeuten nicht, dass wir sie auch umsetzen wollen.

STANDARD: Russland regte einen Abtausch an: Nordkorea stellt sein Atomprogramm ein, wenn Südkorea und die USA Militärmanöver aufgeben. Wäre das ein Ausweg?

Park: Dieser Vorschlag ist nicht ausgewogen. Nordkoreas Nuklearpogramm ist eine Verletzung internationalen Rechts. Es ist eine Gefahr für die gesamte Welt, nicht nur für unsere Halbinsel. Unsere Manöver sind rein defensiv. Da geht es um den Schutz Südkoreas.

STANDARD: Im Laufe der Jahrzehnte wurde alles versucht, um diesen Konflikt zu lösen. Wie lange kann diese Situation noch andauern?

Park: Das ist schwer einzuschätzen. Die Wurzel des Problems ist der Sicherheitssinn des nordkoreanischen Regimes. Wenn es nur um eine äußere Bedrohung ginge, hätten wir das mit Sicherheitsgarantien lösen können. Vor der inneren Gefahr allerdings kann sie niemand schützen, nur sie selbst.

STANDARD: Hat Kim Jong-un seine Macht inzwischen konsolidiert?

Park: Alles ist unter seiner Kontrolle. Vor sechs Jahren schien er unvorbereitet und verletzbar, die Dienste glaubten, er sei abhängig von einer Gruppe von Mentoren. Inzwischen hat er viele von diesen umbringen lassen, seinen Onkel inklusive. So muss man auch den Mord an seinem Halbbruder sehen. Er wäre eine Karte gewesen, die China hätte ausspielen können. Kim Jong-nam hätte die Führerposition in Pjöngjang einfordern können.

STANDARD: Demnächst wird es Olympische Winterspiele in Südkorea geben. Sind diese sicher?

Park: Die Provokationen sind an die USA gerichtet und nicht so sehr an den Süden. Außerdem sind es ja globale Spiele, warum diese also bedrohen? Nordkorea ist eingeladen, daran teilzunehmen. Das würde die Spannungen zwischen uns vermindern.

STANDARD: Und nehmen Athleten aus dem Norden teil?

Park: Wir haben noch keine Antwort aus Pjöngjang. (Christoph Prantner, 6.9.2017)