Bild nicht mehr verfügbar.

"Versprechen von Steuersenkungen sind Wahlgeschenke mit Geldern, die langfristig eigentlich nicht da sind", kritisiert der DIW-Chef Marcel Fratzscher

Foto: Reuters / Fabrizio Bensch

Wien – Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, sieht in Österreich keinen Spielraum für die im Wahlkampf versprochenen Steuersenkungen. Außerdem zweifelt er im Gespräch mit der APA an der von den Parteien geplanten Gegenfinanzierung durch höheres Wirtschaftswachstum. Zweifel von anderer Seite gibt es auch an den ÖVP-Plänen zur Senkung der Gewinnsteuern bei Unternehmen.

SPÖ, ÖVP und FPÖ versprechen im Wahlkampf milliardenschwere Steuersenkungen. Am weitesten gehen wollen ÖVP und FPÖ mit je zwölf Milliarden Euro, bei der SPÖ sind es 5,4 Milliarden. Zum Vergleich: Im zehnmal größeren Deutschland hat Finanzminister Wolfgang Schäuble für die Zeit nach der Bundestagswahl im Herbst ebenfalls eine Steuersenkung von "nur" zwölf Milliarden angekündigt.

Geld für Wahlversprechen fehlt

Fratzscher sieht allerdings weder in Deutschland noch in Österreich Spielraum für Steuersenkungen. Und das trotz des deutschen Budgetüberschusses von zuletzt 23,7 Milliarden Euro. Österreich hatte im Vorjahr ohnehin ein Defizit von 5,4 Milliarden und deutlich höhere Schulden. "Diese Versprechen von Steuersenkungen sind Wahlgeschenke mit Geldern, die langfristig eigentlich nicht da sind", kritisiert Fratzscher.

Die derzeit günstigen Budgetdaten seien vor allem den niedrigen Zinsen auf die Staatsschulden zu verdanken. "Die Zinsen werden wieder hochgehen", warnt Fratzscher. Auch auf die Kosten der alternden Gesellschaft müsse man sich vorbereiten, denn die "demografische Wende" werde Deutschland zwar härter, aber auch Österreich treffen: "Eigentlich haben weder Deutschland noch Österreich diesen finanziellen Spielraum für große Steuergeschenke." Große Steuersenkungen werde man in spätestens fünf Jahren wieder zurücknehmen müssen.

Zweifel an Gegenfinanzierung

Fratzscher zweifelt auch an der Gegenfinanzierung der Steuersenkungen durch erhöhtes Wachstum. Die ÖVP will aus diesem Posten bis zu fünf Milliarden Euro einnehmen, die FPÖ drei und die SPÖ 2,45 Milliarden. Der Wirtschaftsforscher verweist aber darauf, dass von den Steuersenkungen vor allem Besserverdiener profitieren würden, deren Zusatzeinkünfte eher am Sparkonto landen, womit der "Konjunktureffekt" schrumpfe: "Die Leute werden das nicht ausgeben, sondern auf die hohe Kante legen."

Wolle man wirklich den Konsum ankurbeln, müsse man die Menschen "am unteren Ende" entlasten (durch niedrigere Sozialbeiträge) oder die Mehrwertsteuer senken, erklärt Fratzscher: "Steuersenkungen, so wie sie jetzt in Österreich diskutiert werden, haben die Gefahr, dass sie Schulden und Defizite erhöhen werden."

ÖVP steht zu Kostenberechnung

Zweifel an den Berechnungen der ÖVP in ihrem Steuerprogramm gibt es indessen auch von anderer Seite – bei der geplanten Steuerfreistellung von nichtentnommenen Gewinnen. Während die ÖVP hier mit Kosten von nur einer Milliarde rechnet, kam eine Schätzung der Industriellenvereinigung im Vorjahr noch auf vier Milliarden Euro, wie der STANDARD am Dienstag berichtete.

Bei der ÖVP heißt es dazu auf APA-Anfrage, dass die Industriellenvereinigung in ihrer damaligen Schätzung von unrealistisch niedrigen Gewinnausschüttungsquoten der Unternehmen ausgegangen sei, womit die Steuerfreiheit nichtausgeschütteter Gewinne entsprechend höhere Kosten verursacht. In den ÖVP-Berechnungen liege der Steuerausfall nur bei zwei Milliarden Euro. Dass die Kosten im Wahlprogramm mit einer Milliarde Euro beziffert werden, ergibt sich nach Parteiangaben aus der Erwartung, dass die Hälfte der Kosten mittelfristig in die Staatskasse zurückfließt – etwa über zusätzliche Betriebsansiedlungen. Als Beispiel wird hier Estland angeführt, wo eine vergleichbare Steuersenkung nach vier Jahren zu einem entsprechend erhöhten Steueraufkommen geführt habe. (APA, 6.9.2017)