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Keine gemähte Wiese ist die ländliche Entwicklung der Zukunft: Neue Geschäftsmodelle und Lebensmittelkooperativen sollen Bauern den Städtern näherbringen.

Foto: Picturedesk / Westend 61 / Hans Huber

Graz – Wer sich mit dem Thema Landwirtschaft befasst, landet unversehens bei den großen Problemen unserer Gesellschaft und unseres Planeten: Klimawandel, internationalisierte Nahrungsmittelindustrie und Tierhaltung, Überproduktion, Bauernsterben. Während 1970 ein österreichischer Bauer im Durchschnitt zwölf Personen mit Lebensmitteln versorgte, sind es mittlerweile mehr als 80. Gleichzeitig sinken die Einkünfte, sodass die meisten bäuerlichen Betriebe ohne Subventionen nicht überleben könnten.

Haben die für Österreich typischen kleinen Landwirtschaften überhaupt noch eine Zukunft im globalen Wettrennen um immer billigere Nahrung? "Ja", sagt Ulrike Seebacher vom Transferzentrum Nachhaltiges Lebensmittelmanagement an der FH Joanneum in Graz. "Mit innovativen Konzepten ist die klein strukturierte Landwirtschaft durchaus lebensfähig." Wie das konkret aussehen kann, untersucht die Wissenschafterin zurzeit mit Kollegen und Studierenden im Projekt Bauernhof 21.

Fit für das 21. Jahrhundert

"Unser Ziel ist es, den traditionellen Kleinbauernhof fit für das 21. Jahrhundert zu machen und als Lebensmittelnahversorger im städtischen Umfeld zu stärken", erklärt Seebacher. Theoretische Grundlagen liefert das sogenannte Market-Gardening-Konzept mit seinen Strategien für effizientes Wirtschaften auf kleinen Anbauflächen.

Ein durchdachter Mix aus speziellen Geschäftsmodellen und pflanzenbaulichen Strategien für eine biologische Intensivnutzung soll dabei für adäquate Gewinne sorgen. Die Grundpfeiler dieser vom kanadischen Farmer und Autor Jean-Martin Fortier propagierten Methode sind geringe Gründungs- und Produktionskosten, Direktvermarktung sowie die Wahl der richtigen Lage und der profitabelsten Pflanzensorten.

Geteiltes Risiko, geteilte Ernte

Ein wichtiges Thema auf dem Bauernhof 21 ist auch die Community Supported Agriculture: "Dabei geht es um eine besondere Geschäftsbeziehung zwischen Landwirten und Konsumenten, in der beide die Verantwortung für die Kosten, das Risiko und die Ernte übernehmen", schildert Seebacher. "Die Kunden verpflichten sich, die Ernte für ein Jahr vorzufinanzieren, die Hofbetreiber stellen ihre Produkte ganzjährig zur Verfügung." Wie gut das funktionieren kann, zeigt sich am Biokistl, für das es in Stadtnähe bereits lange Wartelisten gibt.

Wie man Städter besser mit regionalen Produkten versorgen kann, wollen die FH-Forscher auch im "Smart Food Grid Graz"-Projekt erkunden, das im Rahmen der Smart-City-Initiative des Klima- und Energiefonds von Verkehrs- und Umweltministerium gestartet wurde. Dabei sollen Lösungsansätze entwickelt werden, wie mindestens 30 Prozent der Grazer Lebensmittelnachfrage aus regionaler Produktion gespeist werden können, also aus Betrieben im Umkreis von 30 Kilometern.

Problem der Hofübergabe

Ein nicht unwesentlicher Aspekt beim anhaltenden Bauernsterben ist das Problem mit der Hofübergabe. Viele Altbauern suchen verzweifelt einen Nachfolger, weil die eigenen Kinder andere Berufspläne haben. "Auf der anderen Seite gibt es immer mehr Quereinsteiger in die Landwirtschaft", sagt Seebacher. "Diese Leute kommen zwar nicht von einem Bauernhof, möchten aber aus Neigung und Überzeugung eine Landwirtschaft betreiben." Vor allem junge Städter haben großes Interesse daran, innovative bäuerliche Konzepte umzusetzen. "Landwirtschaftliche Kurse sind sehr gefragt", sagt Seebacher. "Immerhin sind das die letzten Nischen, wo Menschen in und mit der Natur arbeiten können."

Da Bauernhöfe in Österreich traditionellerweise vererbt werden, ist es für solche Quereinsteiger allerdings schwer, zu einem Hof zu kommen. Um sie mit nachfolgerlosen Altbauern zusammenzubringen, wurde deshalb das "Netzwerk Existenzgründung in der Landwirtschaft – NEL" eingerichtet. Trotz aller mit dem Bauerntum assoziierten Probleme herrsche vor allem bei jüngeren Menschen eine positive Grundstimmung, wie Seebacher betont: "Viele wollen Neues umsetzen – aber nicht naiv, sondern auf einer tragfähigen Wissensbasis."

Genossenschaft am Berg

Wie im landwirtschaftlich kleinteilig strukturierten Hügelland im Südosten Österreichs dominieren auch im gebirgigen Westen bäuerliche Kleinbetriebe. Zwar zeige sich auch hier ein Strukturwandel durch Bauernsterben auf der einen und wachsende Betriebe auf der anderen Seite, "dieser Wandel ist in den gebirgigen Regionen allerdings nicht so stark wie auf dem flachen Land", sagt Markus Schermer vom Forschungszentrum Berglandwirtschaft der Uni Innsbruck. 70 bis 80 Prozent seien hier Nebenerwerbsbauern. "Manche sehen darin den ersten Schritt zur Aufgabe, für andere wiederum ist das eine stabile Wirtschaftsform, die auch junge Menschen anzieht", sagt der Soziologe.

Verschiedene Formen von Kooperationen spielen dabei eine immer wichtigere Rolle. Ein sehr erfolgreiches Beispiel ist etwa die Genossenschaft Bioalpin, die mit Bio vom Berg eine eigene Marke betreibt. Sie koordiniert Erzeuger, entwickelt Produkte und kümmert sich um Lagerhaltung sowie Warenwirtschaft. "Da Bergbetriebe nur relativ kleine Mengen produzieren können, sind Kooperationen in dieser Region unverzichtbar", erklärt Schermer. "Solche Notgemeinschaften hat es hier schon immer gegeben."

Neue Kooperationsformen schließen Konsumenten mit ein

Die Zukunft der Landwirtschaft sieht er wie Ulrike Seebacher insbesondere in neuen Kooperationsformen, die auch die Konsumenten mit einschließen. Ein Beispiel dafür seien etwa die Foodcoops, die ähnlich den Konsumgenossenschaften des neunzehnten Jahrhunderts selbstorganisiert biologische Produkte direkt von lokalen Bauernhöfen beziehen.

Solche Lebensmittelkooperativen verstehen sich als Antwort auf das von Supermärkten, Agrarindustrie, langen Transportwegen und Ausbeutungsverhältnissen dominierte Lebensmittelsystem. Großes Potenzial liege auch in einer noch stärkeren Zusammenarbeit von Landwirtschaft und Tourismus: "Das reicht von der Versorgung lokaler Gasthäuser und Hotels mit regionalen Produkten bis zur Anstellung von Landwirten in der Gastronomie während der Wintersaison."

Da Österreich mit Billigprodukten aus der industrialisierten Landwirtschaft ohnehin nicht mithalten kann, setzt man seit dem EU-Beitritt verstärkt auf Qualität und Bioprodukte. Ein Erfolgsrezept, wie die agrarische Außenhandelsbilanz seit 1995 zeigt – das sich möglicherweise auch in Zukunft als solides Standbein bewähren kann. (Doris Griesser, 7.9.2017)