Hielt im ORF-Radio fest, was er von Kerns Ankündigung hält: "Opposition ist aus meiner Sicht Mist", sagte Niessl.

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Wien – Am Tag nach dem ORF-"Sommergespräch" von Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern ist Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl wenig angetan von der Aussicht, dass die SPÖ als Zweiter bei der Nationalratswahl in Opposition gehen würde. Zwar sei das eine realistische Sicht, meint auch Niessl zu Kerns Aussagen, weil es mit der ÖVP auf dem ersten Platz wohl zu Schwarz-Blau kommen werde. Aber, so hielt Niessl im ORF-Radio klar und deutlich fest: "Opposition ist aus meiner Sicht Mist."

Niessl sieht die Festlegung Kerns vor allem als "Motivation" für den Wahlkampf, damit die SPÖ bis zur Wahl mobilisiert und die ÖVP, die seit Wochen in Umfragen weit voranliegt, doch noch überholt. Die SPÖ müsse deshalb jetzt alles tun, um Schwarz-Blau zu verhindern.

Burgenlands SPÖ-Landeschef teilt jedenfalls auch die Ansicht Kerns, dass die stärkste Partei nach der Wahl den Führungsanspruch stellen solle – wie eben auch bei Nationalrats-, Landtags- und Gemeinderatswahlen. Niessl: "Die Partei, die Erster wird, soll auch den Kanzler stellen." "Demokratiepolitisch nicht in Ordnung gefunden" habe er, dass Wolfgang Schüssel einst angekündigt hatte, dass er als Dritter in Opposition gehen werde – und dann im Jahr 2000 doch Kanzler geworden ist.

Häupl begrüßt Kerns Aussage

Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) begrüßte hingegen ausdrücklich die Aussage von Kanzler Christian Kern (SPÖ), dass die SPÖ in Opposition gehen werde, wenn sie am 15. Oktober nur Zweiter wird. "Das schafft Klarheit", sagte Häupl am Rande einer Pressekonferenz am Dienstag.

Hintergrund: In seinem Wahlprogramm verspricht Kern eine Wahlrechtsreform, wonach der Wahlsieger automatisch den Kanzler stellen soll. Gefragt, ob er schon nach dieser Wahl in diesem Sinne handeln würde, erklärte der SPÖ-Chef: "Für mich ist das ganz klar: Wenn wir Erster sind, werden wir den Bundeskanzler stellen, dann werde ich Bundeskanzler bleiben. Wenn wir das nicht sind, dann wird uns die Rolle der Opposition bleiben." Der Kanzler geht nämlich auch davon aus, dass die Schwarzen als stärkste Partei eine andere Koalitionspräferenz hätten: "Dann wird es wohl ein schwarz-blaues Bündnis geben", meint Kern.

"Ich würde mir wünschen, dass Herr Außenminister Kurz (ÖVP, Anm.) ähnliche Klarheit schafft: Was passiert, wenn er Zweiter wird?", sagte Häupl. Auf die Frage, ob Kerns Festlegung motivierend wirke, antwortete er: "Ich bin eh motiviert. Das sind meine Wiener Freunde auch. Vielleicht sind sie jetzt noch eine Spur mehr motiviert." Denn wenn Kern nicht Erster werde, werde es eine schwarz-blaue Regierung geben "und das will niemand".

Bachmayer skeptisch

OGM-Chef Wolfgang Bachmayer zweifelt daran, ob die Ansage von SPÖ-Chef Bundeskanzler Christian Kern, als Zweiter nach der Nationalratswahl in Opposition zu gehen, klug war: "Das ist eine Droge, die wirken kann – aber auch ganz schöne Nebenwirkungen entwickeln kann", sagte der Meinungsforscher am Dienstag im APA-Gespräch.

Die Botschaft des Kanzlers am Schluss des sonst eher wenig aufregenden Interviews kam für Bachmayer durchaus überraschend. "Ich frage mich, ob es richtig war, diese doch sehr auffällige Ansage schon so früh zu platzieren." Der Wahlkampf beginne jetzt erst richtig, erinnerte Bachmayer – beim Kartenspielen zücke man den Trumpf auch möglichst spät.

Ziel der Aussage sei die Mobilisierung der eigenen Wähler, erklärte der Experte. Gleichzeitig habe der Kanzler damit aber ein Versprechen abgegeben und "die Latte hoch gelegt", merkte Bachmayer an. In den Umfragen liegt die SPÖ auf Platz Zwei, und wenn sich im Lauf des Wahlkampfs dort nicht abzeichne, dass die Chancen auf Platz Eins steigen, werde Kern seitens der Medien vermehrt mit Fragen nach dem Gang in die Opposition konfrontiert sein, was nicht unbedingt förderlich sei.

Bachmayer erinnerte freilich auch daran, dass in der Politik vieles schnell anders sein kann: 1999 pfiff der damalige ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel schließlich auf seine eigene Ankündigung im Lichte der Umfragen, bei Platz drei in die Opposition zu gehen, und ließ sich mithilfe der Freiheitlichen zum Kanzler machen. Für Bachmayer stellt sich auch die Frage, ob Kerns Ankündigung für die gesamte SPÖ gelte – oder ob die Roten im Fall des zweiten Platzes eben mit einem neuen Parteichef in die Regierung gehen. (red, APA, 5.9.2017)