SPÖ-Chef und Bundeskanzler Christian Kern am Montagabend auf dem Weg zum "Sommergespräch" des ORF vor dem Parlament. Begleitet wurde er von einer roten Fantruppe, die ihm Mut zusprach.

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Wien – Die Nachbetrachtungen des ORF-"Sommergesprächs" mit Kanzler Christian Kern vom Montagabend fallen in den Parteien naturgemäß recht unterschiedlich aus. In der Umgebung des Kanzlers ist man mit dessen Performance durchaus zufrieden. Kern habe sich präsentiert, wie man sich einen Kanzler vorstellt, ruhig, souverän, nicht wehleidig.

Die Botschaft, dass die SPÖ bei einem zweiten Platz in Opposition gehen werde, sei bewusst gesetzt gewesen, die Warnung vor Schwarz-Blau sei notwendig, um die Funktionäre zu motivieren und die Sympathisanten zu mobilisieren. Sie hätte durchaus noch deutlicher ausfallen können, meinen manche in der Partei. Kern sei es jedenfalls gelungen, seine eigene Motivation, die Wahl noch gewinnen zu können, darzustellen.

Kanzler bezüglich Vorwürfen "glaubwürdig"

Dass Kern von sich aus die Vorwürfe bezüglich gemeinsamer Urlaube mit ORF-Moderator Tarek Leitner angesprochen und zurückgewiesen hat, sei ein guter Punkt gewesen, heißt es aus der SPÖ. Da sei der Kanzler glaubwürdig gewesen.

Wenig überraschend sieht man das in der ÖVP ganz anders. Das "Sommergespräch" sei eine "vollkommene Farce" gewesen. Dass die beiden, die zumindest einmal gemeinsam auf Urlaub waren, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein Gespräch zur Wahl bestreiten, sei absurd. Leitner habe Kern viel seltener unterbrochen, als er dies noch bei Sebastian Kurz und den anderen Spitzenkandidaten getan habe. Es sei ein nettes Interview und ein solides Gespräch gewesen, insgesamt aber eine "Farce", wie in der ÖVP immer wieder betont wird. Und überhaupt sei aufgefallen, dass Kern sehr gut vorbereitet gewesen sei – als ob er jede Frage erwartet habe.

Dennoch wolle man in der ÖVP um die Person von Leitner, der auch als Moderator für die noch anstehenden TV-Konfrontationen vorgesehen ist, kein Drama mehr machen. Auch wenn man ihn für befangen halte, werde man seine Moderation dulden: "Wir lassen das über uns ergehen."

Annäherung in Migrationsfragen

Sebastian Kurz selbst war am Dienstag darum bemüht, das Thema nicht allzu hoch zu hängen. Es gebe Wichtigeres, sagte er auf Journalistenfragen, er halte es jedoch für legitim, "dass die Bevölkerung in solchen Fragen informiert ist".

Inhaltlich hatte das Gespräch mit Kern nicht viel Neues gebracht: Abseits der Oppositionsabsage hatte der SPÖ-Chef eingeräumt, dass es in Migrationsfragen zu einer Annäherung der Standpunkte von SPÖ, ÖVP und FPÖ gekommen sei, schließlich sei auch die SPÖ für die Bekämpfung der illegalen Migration. (Michael Völker, 5.9.2017)