Angela Merkel auf der Titelseite einer regierungsfreundlichen türkischen Zeitung, März 2017.

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Berlin – Die EU wird laut der deutschen Kanzlerin Angela Merkel im Oktober darüber beraten, ob sie die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei beendet oder nur aussetzt. Die CDU-Chefin will damit eine Ankündigung umsetzen, die sie am Sonntag im TV-Duell mit SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz gemacht hat.

Man müsse dabei sehr besonnen vorgehen, weil die Beziehungen zur Türkei strategische Bedeutung hätten, sagte Merkel. Sie warnte die EU davor, sich angesichts der Frage eines Abbruchs der Beitrittsverhandlungen vor den Augen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zu zerstreiten: "Das würde Europas Position dramatisch schwächen."

Aussetzung erfordert Zweidrittelmehrheit

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn verwies im Deutschlandfunk darauf, dass für die Aussetzung der Gespräche nur eine Zweidrittelmehrheit in der EU gebraucht werde. Für einen Abbruch sei Einstimmigkeit der 28 EU-Staaten erforderlich.

Merkel wiederholte, dass CDU und CSU einen türkischen EU-Beitritt immer abgelehnt hätten. Sie habe nach ihrem Amtsantritt 2005 aber an der Entscheidung der EU und ihres Vorgängers Gerhard Schröder (SPD) festgehalten, die die Verhandlungen eröffnet hätten. Sie warnte davor, mit einem unbesonnenen Vorgehen jene Türken vor den Kopf zu stoßen, die in der Türkei nicht mit Erdoğans Kurs einverstanden seien. Dasselbe gelte für die türkischstämmigen Deutschen und türkischen Bürger, die in Deutschland leben: "Denn sie sind Teil unseres Landes."

Merkel kritisierte erneut die Verhaftung mehrerer Deutscher unter dem Vorwurf des Terrorverdachts, darunter der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel, der seit mehr als 200 Tagen in Haft sitzt. (APA, Reuters, 5.9.2017)