Will Arbeiter den Angestellten gleichstellen: Kanzleramtsminister Drozda.

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Wien – SPÖ-Regierungskoordinator und Kanzleramtsminister Thomas Drozda bietet der ÖVP im Zusammenhang mit der Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten einen gemeinsamen Beschluss noch vor der Wahl an. "Ich freue mich, dass die ÖVP auf unsere soziale Linie einschwenkt. Wir haben das ja schon lange auf der Agenda", sagte Drozda im APA-Interview.

Die SPÖ plädiert laut Drozda schon seit einiger Zeit für eine Vereinheitlichung beim Krankengeld bzw. der Entgeltfortzahlung beim Krankengeld sowie bei den Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte. Man könnte das rasch bei der Nationalratssitzung am 20. September oder in einer der nächsten Parlamentssitzungen machen. "Die Briten sagen, the proof of the pudding is in the eating. Ich lade Sebastian Kurz gerne ein, diesen Pudding mit uns zu verspeisen. Da muss er auch nicht gegen uns stimmen, das kann er mit uns machen, das könnte er seit geraumer Zeit mit uns machen", erklärte Drozda.

In einem Aufwaschen könnte man dabei auch die soziale Schlechterstellung von Kleinunternehmern und Ein-Personen-Unternehmen beenden. Diese würden Krankengeld erst ab dem 43. Tag erhalten, laut SPÖ-Vorschlag soll es bereits ab dem vierten Tag das Krankengeld rückwirkend geben. Und für Unternehmen mit weniger als zehn Personen möchte die SPÖ den Zuschuss zum Krankengeld von derzeit 50 auf 100 Prozent erhöhen. Finanzieren will Drozda dies aus "Mitteln der AUVA, die auch die notwendigen Rücklagen hat".

"Sensationelles Wachstum"

Positiv stimmt der Minister die jüngste Wachstumsprognose der Nationalbank für 2017, wonach das Bruttoinlandsprodukt (BIP) heuer kräftig um 2,75 Prozent steigen könnte. Im Juni war man noch von 2,2 Prozent ausgegangen. Drozda spricht von einer "sensationellen Wachstumszahl".

Der SPÖ-Regierungskoordinator wies zudem darauf hin, dass Österreich – anders als zuletzt in der Öffentlichkeit dargestellt – bei wesentlichen Kennzahlen besser als Deutschland dastehe. So liege etwa Österreichs BIP pro Kopf (40.000 Euro) über jenem von Deutschland (38.100 Euro), die Industrieproduktionswachstumsrate sei mit 2,1 Prozent doppelt so hoch wie in Deutschland, auch bei der Investitionsquote liege Österreich vor Deutschland (23,0 vs. 20,1 Prozent), und das Jobwachstum sei seit der Krise in Österreich genauso stark wie in Deutschland, trotzdem seien die Löhne in Österreich nur halb so stark gestiegen. Allerdings sei der Niedriglohnsektor in Deutschland doppelt so groß wie in Österreich.

Die in Österreich börsennotierten ATX-Konzerne schütten laut Drozda 2017 rund 2,3 Milliarden Euro an Dividenden aus. "Das sind 30 Prozent mehr als 2016, im selben Jahr stiegen die Reallöhne um 0,5 Prozent", so Drozda. Zugleich sinke die Schuldenquote nach Jahren des Anstiegs heuer auf 82,8 Prozent des BIPs, und das WIFO erwarte einen weiteren Rückgang um zehn Prozentpunkte bis 2020. "Der langen Rede kurzer Sinn: wir stehen gut da. Es stellt sich die Frage, wie man dieses Wachstum fair verteilt." Die SPÖ habe dazu im Plan A von Bundeskanzler Christian Kern zahlreiche Vorschläge gemacht. "Alle müssen ihren Beitrag zum Steueraufkommen leisten, und es muss zu einer fairen Verteilung kommen. Wenn die Wachstumsrate 2,75 Prozent beträgt, dann sollten diese 2,75 Prozent am Ende gleichermaßen bei allen ankommen", forderte Drozda.

Drozda nennt Investitionspakete in Wirtschaft und Beschäftigung, die Erhöhung der Mindestlöhne sowie die von der SPÖ geforderte Lohnsteuerfreistellung für die ersten 1.500 Euro als notwendige Maßnahmen. Die Diskussion, ob der Staat investieren soll, oder ob es auch ohne geht, ist für Drozda erledigt. Das hätten auch die jüngsten Alpbacher Gespräche gezeigt. "Die Diskussion ist durch. Natürlich hat der Staat eine bedeutende Rolle in der Wirtschaft."

Nachholbedarf in Sachen Investitionen ortet der Minister vor allem bei der Digitalisierung. Österreich müsse vor allem im 5G-Bereich, also beim Internet der Dinge, mehr Anstrengungen unternehmen. "Wir sind derzeit im oberen Drittel, müssen aber zu den Top 5 gehören. Das erfordert einen zügigen Ausbau. Die Frage ob man hier zu den Vorreitern gehört, macht immerhin einen Unterschied von 35.000 Beschäftigten aus und im long run ein Investitionsvolumen von 50 Milliarden."

Kritik an Steuersenkungs-Vorschlag

Kritik übte Drozda am jüngsten ÖVP-Vorschlag nach einer Rücknahme bzw. Senkung der Mehrwertsteuer auf Nächtigungen von 13 auf 10 Prozent. "Ich finde es interessant, dass der Finanzminister seit Monaten durch die Lande zieht und vor Parlamentssitzungen warnt, die viel Geld kosten. Und dann kommt von ÖVP-Seite ein Vorschlag, der die Gegenfinanzierung der Steuerreform partiell atomisiert. Ich halte auch nichts davon, die Refinanzierung einer Steuerreform infrage zu stellen, nur weil man in einem Hotel absteigt und der Hotelier sagt, 13 Prozent sind zu viel, und das nennt man dann Österreich-Gespräch. Vor allem wenn man bedenkt, dass die Auslastung im Tourismus sehr gut ist."

Grundsätzlich gut findet der SPÖ-Regierungskoordinator, dass Sebastian Kurz bereit ist, "radikal bisherige ÖVP-Positionen im Sinne einer Stimmenmaximierung zu räumen". Als Beispiele nannte Drozda die Abschaffung des Pflegeregresses, die jüngste Pensionserhöhung oder die Frage des Frauenpensionsalters. "Ich habe schon viel mit der ÖVP verhandelt, aber das Pensionsthema war unter zwei Monaten für gewöhnlich nicht zu machen. Diesmal haben wir den Vorschlag am Montag gemacht und am Dienstag war's beschlossen und zwar eins zu eins unser Modell", so Drozda.

"Ich frage mich halt nur, ist das eine inhaltlich begründete Position als Teil eines geschlossenen Konzepts wie in unserem Fall oder sind es wahltaktische Überlegungen. Und ich frage mich, was seine Mentoren sagen – der Herr Schüssel, der Jahr und Tag auf dem Pensionsthema drauf war und deshalb eine Regierung mit den Grünen nicht gebildet hat. Was sagt der Herr Moser dazu, der zwölf Jahre anderslautende Vorschläge dazu gemacht hat. Was sagt die Industriellenvereinigung, die den jungen Mann finanziert. Nichtsdestotrotz attestiere ich, dass ich diese Positionen, die Kurz da vertritt für richtig halte."

Mit der Entwicklung der SPÖ-Wahlkampagne zeigte sich Drozda zufrieden. "Der Wahlkampf läuft mittlerweile. Wir sind im Arbeitsmodus und im Themenmodus, und in dem sind wir stark". Die jüngsten Irritationen wegen eines Häupl-Interview, in dem dieser seinen Rückzugstermin konkretisiert hatte, kann Drozda nicht nachvollziehen. "Ich verstehe nicht ganz, wo da der Newswert liegt, weil das ist das, was der Bürgermeister am Wiener Landesparteitag gesagt hat und davor und danach immer wieder gesagt hat. Und ich merke bei Wahlveranstaltungen in Wien, dass man an einem Strang zieht und dabei auch in die gleiche Richtung." (APA, 3.9.2017)