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Technologie soll den Mitarbeitern in Zeiten immer komplexerer Prozesse unter die Arme greifen.

Foto: AP/Vincent Yu

Salzburg/Wien – Die industrielle Produktion ist im Umbruch. Digitale Systeme steuern Fabriken, Produkte werden individueller, Produktionszyklen kürzer und Arbeitsschritte komplexer. Diese Herausforderungen in der Produktion spiegeln sich auch im Arbeitsalltag der Mitarbeiter wider. Das Salzburger Forschungsprojekt MMAssist II untersucht, wie Menschen bei der Bedienung von Produktionsmaschinen, der Wartung und Instandsetzung sinnvoll unterstützt werden können. In einem zweiten Schritt werden Technologien entwickelt, die als Assistenzsysteme eingesetzt werden können. Diese werden wiederum in den Betrieben getestet und evaluiert.

Ziel ist aktive Unterstützung

"Der Mensch hat eine wichtige Rolle in der Produktion. Ziel ist es nicht, ihn zu ersetzen, sondern ihn aktiv zu unterstützen", sagt Thomas Meneweger vom Center for Human-Computer Interaction (HCI) der Uni Salzburg. Wer weiß besser, welche Hilfe nötig ist, als die Mitarbeiter selbst? Deshalb werden in der Studie die potenziellen Endnutzer der Assistenzsysteme in die Entwicklung eingebunden. "Mit dem menschzentrierten Ansatz bringen wir die Perspektive der Mitarbeiter ein, die in der Montage arbeiten, Mehrmaschinenbedienung machen oder die Maschinen rüsten, warten und instand halten", ergänzt die Forscherin Nicole Mirnig.

Die wissenschaftliche Leitung des großangelegten Forschungsprojekts obliegt Manfred Tscheligi, Leiter des HCI-Center und des Center for Technology Experience am Austrian Institute of Technology (AIT) in Wien. Das Forschungsinstitut Profactor ist der Gesamtkoordinator der insgesamt 25 Forschungs- und Industriepartner. Gefördert wird das dreijährige "Leitprojekt" von der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) im Rahmen der Initiative "Produktion der Zukunft" des Ministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie mit vier Millionen Euro. Die Gesamtkosten belaufen sich auf 6,5 Millionen Euro.

Beobachtung täglicher Arbeitsschritte

Die Forscher des Center for HCI sind derzeit mit der Bedarfserhebung in neun verschiedenen Industriebetrieben beschäftigt. Dabei werden die täglichen Arbeitsschritte in den Bereichen Produktion, Wartung und Montage beobachtet. "Wir gehen wie ein Schnupperlehrling bei einem Ausbildner mit, schauen den Mitarbeitern über die Schulter und stellen Fragen", sagt Meneweger. Zusätzlich führen die Forscher mit den Mitarbeitern an den Maschinen und auch mit Schichtleitern, die den Überblick über die Produktion haben, Interviews.

"Die Montageschritte in der Produktion haben sich in den letzten fünf Jahren bei manchen Produkten teilweise verdreifacht", erläutert Meneweger. Der Trend gehe zu individuelleren und funktionelleren Produkten. Dadurch entstehe ein häufigerer Produktwechsel am Fließband. "Es läuft etwa nicht drei Wochen lang derselbe Motor vorbei, sondern es kommt immer ein anderer", nennt der wissenschaftliche Mitarbeiter ein Beispiel. Das könne so weit gehen, dass auch Massenartikel künftig in Losgröße 1 produziert werden. Hier wäre eine digitale Montageanleitung hilfreich für den Mitarbeiter.

Baukasten für Technologie

Wie dieses Assistenzsystem aussehen wird, ist noch völlig offen. Diese werden in einem nächsten Schritt mit den technischen Partnern entwickelt. Erstellt werden keine Einzellösungen, sondern Assistenz-Units, die nach dem Baukastenprinzip individuell zusammengestellt werden können. Diese Units sollen an den speziellen Produktionskontext und die Bedürfnisse der Benutzer angepasst werden können. Zielgerichtete Assistenz soll nur dann angeboten werden, wenn sie tatsächlich benötigt wird.

Wesentlich sei, dass assistierende Maschinen vom Menschen akzeptiert werden. Das gelinge vor allem dann, wenn sie den Arbeitsalltag verbessern und aus Sicht der Mitarbeiter Komplexität reduzieren, betonen die Forscher. Die ersten Erhebungen hätten gezeigt, dass einige Mitarbeiter den digitalen Helfern auch kritisch gegenüberstehen. "Das Gefühl mangelnder Kontrolle, eingeschränkter Autonomie und die Befürchtung, überwacht zu werden, lösen unter den Mitarbeitern Bedenken aus", sagt Meneweger. Das müsse auch bei der Entwicklung der Assistenzsysteme berücksichtigt werden. "Ansonsten wird die Technologie nicht oder nur widerwillig verwendet. Das Ziel ist, Technologie zu entwickeln, die gerne verwendet wird." (Stefanie Ruep, 3.9.2017)