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Der frühere Beruf von Guatemalas Präsident Jimmy Morales bietet Demonstranten, die seinen Rückritt fordern, eine Vorlage.

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Guatemala-Stadt/Puebla – Vor nur zwei Jahren stand Guatemala vor der Staatskrise, nun könnte es wieder so weit sein. Und zwar aus sehr ähnlichen Gründen: Damals war Präsident Otto Pérez wegen Korruption inhaftiert worden – und nun könnte sein Nachfolger Jimmy Morales dran sein.

Der aus dem Komikerberuf in die Politik gewechselte Staatschef hatte am Samstag die Ausweisung des Chefermittlers der UN-Kommission gegen Straffreiheit in Guatemala (CICIG) angeordnet, nachdem dieser Beweise gegen Morales' konservative Partei FCN wegen illegaler Wahlkampffinanzierung zusammengetragen hatte. Am Freitag hatte die guatemaltekische Staatsanwaltschaft ein Verfahren eröffnet und die Aufhebung der Immunität des Staatschefs beantragt.

Tausende protestieren seither in Guatemala-Stadt und fordern Morales' Rücktritt. Dieser wurde 2015 zum Präsidenten gewählt, nachdem sein Vorgänger Otto Pérez wegen Korruption abgesetzt worden war und ins Gefängnis kam. Pérez leitete ein mafiöses Netzwerk im Zoll, das aus Beamten und Unternehmern bestand und Steuern in Millionenhöhe hinterzog.

"Anmaßendes Urteil"

Den Rauswurf verkündete Morales per Videobotschaft. Iván Velásquez habe sich in innere Angelegenheiten eingemischt und seine Kompetenzen überschritten. Der betroffene Chefermittler, ein angesehener kolumbianischer Jurist, äußerte sich zunächst nicht. Kurze Zeit später setzte das Verfassungsgericht die Entscheidung des Präsidenten aus. Morales kritisierte das Urteil als "anmaßend".

Konkret geht es in den Vorwürfen gegen Morales um illegale Wahlkampfspenden: Laut den Ermittlungen der CICIG soll der spätere Staatschef Gelder in Höhe von einer Million US-Dollar nicht deklariert haben. Der Verdacht der Geldwäsche liegt nahe. In Guatemala werden Einkünfte aus Korruption und Drogenhandel üblicherweise in Kampagnen "investiert", wie die CICIG in einem älteren Bericht festgestellt hat.

UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich "konsterniert" und bat um Respekt für den UN-Funktionär. Er hatte zuvor versucht, die Krise zwischen der Regierung und der Uno zu entschärfen. Ein Gespräch mit dem guatemaltekischen Außenminister in New York blieb aber ergebnislos und endete am Samstag mit dem Rauswurf des Ministers. An seiner Stelle ernannte Morales die Politikerin Sandra Jovel, die wegen ihrer Verwicklung in illegale Adoptionen am Pranger steht.

Immer wieder Staatskrisen

Generalstaatsanwältin Thelma Aldana drohte mit ihrem Rücktritt, sollte Velásquez ausgewiesen werden. Viele Institutionen sprachen dem Gesandten ihre Solidarität aus, darunter die katholische Kirche und die Nationaluniversität. Das US-Außenministerium zeigte sich "besorgt"; einige Kongressabgeordnete drohten mit einem Stopp der Hilfszahlungen. "Dies ist eine harte Prüfung für den Rechtsstaat, der beweisen muss, dass niemand über dem Gesetz steht", sagte Staatsanwalt Augusto Jordán Rodas. Nach Auffassung der Menschenrechtlerin Helen Mack Chang unterstreicht der Fall die Notwendigkeit, das Parteiengesetz zu reformieren. "Das fordern wir schon seit zwei Jahren. Wir sind frustriert, dass Morales, der einen Kreuzzug gegen die Korruption versprach, nichts dergleichen unternommen hat." Ohne eine Erneuerung des politischen Systems würden sich solche Krisen ein ums andere Mal wiederholen.

Der Korruptionsbekämpfung in dem mittelamerikanischen Land droht ein schwerer Rückschlag, sollte sich Morales durchsetzen. Die CICIG kam 2007 nach einem Hilferuf der damaligen Regierung, die sich vom organisierten Verbrechen überwältigt sah, ins Land. Seither ist es ihr gelungen, zahlreiche Politiker, Minister, Richter und Polizeichefs wegen Korruption, Drogenhandels und anderer Delikte hinter Gitter zu bringen und die Rechtsprechung und den Justizapparat zu modernisieren.

Das missfällt einflussreichen Teilen der Elite, die sich in der Illegalität häuslich eingerichtet hat. Seit längerem gibt es Kampagnen gegen die CICIG, deren Mandat alle zwei Jahre durch den Präsidenten verlängert werden muss. Ende des Jahres steht eine neue Verlängerung an. Schon Pérez wollte vor seinem Sturz das Mandat beenden, musste sich aber dem Druck der Bevölkerung und der Beweise gegen ihn beugen. (Sandra Weiss, 28.8.2017)