Nigerias Präsident Mahamadou Issoufou, Tschads Präsident Idriss Deby, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel am Gipfel in Paris.

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Auffanglager für Migranten südlich von Europa lassen sich nicht über Nacht verwirklichen: Das ist die ernüchternde Haupterkenntnis des euro-afrikanischen Treffens von Montag in Paris, zu dem Emmanuel Macron die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, Italiens Ministerpräsident Paolo Gentiloni und den spanischen Regierungschef Mariano Rajoy geladen hatte. Um seine im Juli gemachte Ankündigung von "Hotspots" in Nordafrika voranzutreiben, zog Macron auch den libyschen Premier Fayez al-Serraj sowie die Präsidenten aus Niger und dem Tschad, Mahamadou Issoufou und Idriss Deby bei.

Macron suchte mit der Einladung an die Vertreter der beiden französischen Ex-Kolonien Niger und Tschad seinerseits Hilfe für seine Hotspot-Pläne. Denn mittlerweile ist auch den Franzosen klar geworden, dass sich solche Ab- und Auffanglager im Bürgerkriegsland Libyen aus Sicherheitsgründen kaum oder jedenfalls nicht so rasch verwirklichen lassen. Trotzdem erklärte er nach dem Gipfel, Asylsuchende würden in Zukunft schon in Transitstaaten wie eben Niger oder Tschad geprüft und "identifiziert", um gegebenenfalls in ihre Heimat zurückgeführt zu werden. Zuständig solle das Uno-Flüchtlingskommissariat UNHCR sein.

Wie das genau geschehen soll, vermochte Macron so wenig zu sagen wie der tschadische Präsident Deby. Die Delegation aus Niamey ließ ihrerseits verlauten, Niger sei längst selbst aktiv geworden und habe erreicht, dass das Migrationsvolumen in der Drehscheibe Agadez um 80 Prozent gesunken sei. Um diese Anstrengungen zu befördern, seien neue Geldmittel aus Europa, nicht neue Hotspots nötig, erklärte ein nigerischer Diplomat.

Die spanische Delegation fragte am Montag, warum nicht auch Marokko nach Paris eingeladen worden sei; schließlich nehme die Migration über die Meerenge von Gibraltar wieder zu. Beobachter wiesen zudem darauf hin, dass der Hauptanteil der Migranten in Libyen nicht aus dem frankophonen Westafrika stamme, sondern aus ostafrikanischen Staaten wie Sudan, Äthiopien oder Eritrea.

Merkel forderte in Paris eine "klare Unterscheidung" zwischen Flüchtlingen und Wirtschaftsmigranten. Alles andere wäre ein "falsches Zeichen". Erstes Ziel müsse aber sein, in Libyen für alle nach Europa Strebenden "menschliche Bedingungen" zu schaffen und die dortigen Schlepper zu bekämpfen. Vorerst genüge der deutsche Beitrag von 50 Millionen Euro; mehr sei aber möglich.

Kritik an Merkel

In Deutschland gab es etliche Kritik am Gipfelkurs der Kanzlerin. Die Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt sprach sich dagegen aus, den "failed state" Libyen zu einem Partner zu machen. Das sei so unsinnig, wie mit der Türkei einen Flüchtlingsdeal abzuschließen.

SPD-Kandidat Martin Schulz kritisierte die "Inszenierung" des Pariser Treffens, das die heikle Verteilung der Flüchtlinge auf alle EU-Staaten bewusst beiseitelasse. Merkel wolle offenbar um jeden Preis Streit vermeiden. Der Mini-Gipfel war ursprünglich als reines EU-Treffen geplant; Macron zog es aber vor, statt osteuropäische Mitglieder der Visegrád-Gruppe afrikanische Länder einzuladen, um mit den Hauptbetroffenen Lösungsansätze zu diskutieren.

Dies barg von Anfang an das Risiko, dass weder die Frage der Hotspots noch die der EU-Kontingente geregelt wird. Noch unerfahren auf dem internationalen Parkett, missachtete Macron die Grundregel, dass ein Gipfel ohne klar abgesteckten Teilnehmerkreis keine klaren Resultate bringen kann. (Stefan Brändle, 28.8.2017)