Julian Nagelsmann: "Wir haben es nicht geschafft, unserem Anspruch gerecht zu werden."

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Liverpool – Julian Nagelsmann wollte nur noch weg. Runter vom Platz, raus aus dem Stadion, ab nach Hause. Die Demütigung an der Anfield Road hatte den Trainer-Überflieger, der zum ersten Mal eine Bruchlandung hinlegte, schwer mitgenommen. Der Coach von 1899 Hoffenheim hastete nach dem 2:4 (1:3) seiner hoffnungslos unterlegenen Mannschaft beim FC Liverpool von einem Pflichttermin zum nächsten, um so schnell wie möglich den Ort der Schmach zu verlassen – seinen Profis gab er dabei aber immer einen mit.

"Es ist bekannt, dass ich mit Niederlagen sehr schlecht umgehen kann. Das ist auch diesmal so", gestand Nagelsmann nach dem Play-off-Rückspiel zur Champions League bei der Mannschaft von Jürgen Klopp: "Und das ist unserem Spiel geschuldet. Wir haben es nicht geschafft, unserem Anspruch gerecht zu werden."

"Wir haben uns nicht an unseren Plan gehalten"

Schon zuvor hatte der 30-Jährige deutlich gezeigt, wie sehr ihn der schwache Auftritt beim früheren englischen Rekordmeister ärgerte. Nagelsmann klatschte seine Spieler nach dem Abpfiff nur kurz ab und verschwand zügig in die Kabine. Es war an Klopp, die geknickten Hoffenheimer Europacup-Debütanten beim Verlassen des Feldes ausgiebig zu trösten.

Kurz darauf begann Nagelsmann, dessen Klub schon das Hinspiel mit 1:2 verloren hatte, seine Tirade – in ruhigem Ton und ohne eine Miene zu verziehen. "Es war sehr viel Stückwerk – vor allem in der Defensive, aber auch in der Offensive", sagte der Trainer: "Wir haben zu keiner Zeit das gezeigt, was wir können. Wir haben in der ersten Halbzeit in keiner Sekunde gemacht, was wir besprochen haben. Wir haben uns nicht an unseren Plan gehalten."

"Kopflos angerannt, kopflos gespielt"

Doch damit nicht genug. Nagelsmann legte nach. "Wir waren gleich in den ersten beiden Minuten nicht im Spiel. Wir haben in ein, zwei Zweikämpfen null dagegengehalten. Dann sind wir kopflos angerannt und haben kopflos gespielt", sagte er: "Zudem standen zwei, drei Spieler in den ersten 30 Minuten nicht auf dem Feld. Dann hat der Gegner so viel Qualität, dass er uns 30 Minuten lang auseinanderschrauben kann."

Das sah auch die englische Presse so. Die Zeitungen gaben den Deutschen bitterböse Schlagzeilen mit auf den Heimweg. "Hoffenheim verlässt Anfield zerquetscht und zerkleinert", schrieb der Guardian. "Hoffenheim war schwach, vor allem offensiv", meinte die Times. Der Daily Mirror warf den Hoffenheimern vor, dass sie keine "Gewinner-Mentalität" hatten.

Übergang in die Europa League

Tatsächlich war der erste Sieg einer deutschen Mannschaft im 15. Anlauf an der Merseyside nie in Reichweite – und somit auch der Einzug der TSG in die millionenschwere Gruppenphase. Der starke deutsche Nationalspieler Emre Can mit einem Doppelpack (10. und 21.), Mohamed Salah (18.) sowie der Ex-Hoffenheimer Roberto Firmino (63.) trafen für die Reds. Die Tore von Mark Uth (28.) und Sandro Wagner (79.) waren Kosmetik.

Hoffenheim ist als fünfte deutsche Bundesliga-Mannschaft (von 23) in den Play-offs ausgeschieden und muss nun in den Gruppenspielen der Europa League antreten – die am Freitag ausgelost werden. Damit sind dem Klub von Mehrheitseigner Dietmar Hopp die 12,7 Millionen Euro Königsklassen-Startgeld durch die Lappen gegangen, insgesamt beträgt die finanzielle Differenz zwischen der Champions League und der Europa League mindestens 15 Millionen Euro.

Nagelsmann gab zu, dass seine Enttäuschung über das Scheitern noch "eine Zeit lang anhalten" wird. Doch dann sagte der Trainer noch etwas Positives – zum ersten Mal an diesem Abend: "Wir können in der Europa League international reifen. Wir wollen den Leuten zeigen, dass wir besser spielen können als diesmal." (sid, 24.8.2017)