Beate Meinl-Reisinger könnte den Wiener Gemeinderat wieder in Richtung Nationalrat verlassen.

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Wien – Beate Meinl-Reisinger, Landessprecherin der Wiener Neos und Bundespartei-Vizechefin, lässt mit einem neuen Vorschlag im Bildungsbereich aufhorchen. Sie fordert verpflichtende Förderkurse für Wiener Schüler mit Deutschdefiziten – und zwar in den letzten zwei Wochen der Sommerferien. Ihr Wechsel in den Nationalrat sei – trotz sicherem dritten Listenplatz – noch nicht fix, sagte sie im APA-Interview.

"In einer Situation, wo 60 Prozent aller Pflichtschüler in Wien – das sind 60.000 Kinder – keine ausreichenden Kenntnisse in Deutsch haben, kann man nicht davon reden, dass diese Schüler alle Chancen haben", sagte die pinke Frontfrau im Rathaus. Insofern sei es "einfach ein Ablenkungsmanöver, wenn man immer über Islam-Kindergärten und Islam-Schulen spricht. Der wahre Brennpunkt ist tagtäglich in allen Wiener Pflichtschulen, wo 60.000 Schüler die Bildungsstandards nicht erfüllen", erklärte Meinl-Reisinger.

Familienbeihilfe kürzen

Die SPÖ habe gezeigt, dass sie nicht hinschaue. "Wenn man hier den Kopf in den Sand steckt, ist man fahrlässig und zeigt eigentlich, dass einem das wurscht ist. Mir sind diese Kinder nicht egal", begründete Meinl-Reisinger ihre Forderung: "Kinder, die immer noch Defizite haben, sollten in den letzten zwei Ferienwochen verpflichtende Deutsch-Förderkurse machen müssen." Wer die Schulbank 14 Tage früher drücken muss, soll die Schule selbst entscheiden, die Pädagogen würden die Kinder und ihre Bedürfnisse am besten einschätzen können. Falls der Verpflichtung nicht nachgekommen werden, sollte die Familienbeihilfe gekürzt werden, schlägt die Wiener Neos-Chefin vor.

"Lehrer berichten mir, dass viele Kinder wieder bei Null anfangen müssen, da sie neun Wochen aus dem Unterricht herausgerissen werden", argumentiert die Rathauspolitikerin. Freiwillige Angebote würden nicht ausreichen, "wenn man das Ziel hat, dass alle Kinder faire Chancen haben sollen". Wie die anfallenden Mehrstunden der Lehrer abgegolten werden soll? "Das Geld ist ja da, das zeigt die Gratis-Nachhilfe. Experten sagen, dass das ein Blödsinn ist, den Förderunterricht so zu gestalten. Damit werden nur die SPÖ-nahen Volkshochschulen subventioniert." Die Gratis-Nachhilfe gibt es in Wien seit Herbst 2014, die Umsetzung erfolgt durch die Volkshochschulen, die dafür Geld von der Stadt erhalten.

Kritik an Inseraten der Stadt

Im Zuge der Debatte um eine nicht genehmigte Wiener Islam-Schule angestrebte Nachschärfung des Islam-Gesetzes kann Meinl-Reisinger durchaus etwas abgewinnen: "Ich verstehe die Logik, dass man sagt, man möchte den politischen Islam hintanhalten und dessen Finanzierung nicht die österreichische Grenze durchbrechen lassen. Da bin ich auch sehr dafür." Kritik übte sie in dem Zusammenhang aber an Rot-Grün in Wien. "Die Stadt unterstützt beispielsweise Medien, wo mich Experten darauf hingewiesen haben, dass diese dem politischen Islam, der türkischen AKP oder der Muslimbruderschaft nahe stehen". Die Schaltung von Inseraten gehöre dort abgedreht, so ihre Forderung.

Wie lange Meinl-Reisinger noch im Landtag bzw. Gemeinderat aktiv sein wird, ist allerdings fraglich. Immerhin kandidiert sie auf der Neos-Bundesliste für die Nationalratswahl an dritter und somit wählbarer Stelle. Eine Rückkehr ins Parlament sei aber noch nicht ausgemachte Sache: "Was ich dann tue, entscheide ich nach dem 15. Oktober. Ich habe immer gesagt, ich würde nicht kandidieren, wenn ich nicht ernsthaft bereit wäre zu wechseln, aber es ist noch nicht entschieden." Sie wolle jedenfalls für diese – auch für die Neos wichtige – Wahl als "Zugpferd" Verantwortung übernehmen. Ob es nicht schwierig sei, sich wählen zu lassen, dann das Mandat aber eventuell nicht anzunehmen? "Es ist ein Dilemma", räumte Meinl-Reisinger ein. Sie habe daraus nie ein Hehl gemacht, aber bei der Listenvorwahl viel Unterstützung gehabt.

Drei Mandate in Wien als Ziel

In Wien strebt die Chefin diesmal drei Mandate an – statt zwei bei der Bundeswahl 2013. Bundesweit sieht die Neos-Kandidatin realistische Chancen, an vierter Stelle "hinter den drei größeren Altparteien" (ÖVP, SPÖ, FPÖ, Anm.) und damit noch vor den Grünen zu liegen zu kommen. In Sachen möglicher Regierungsbeteiligung lässt Meinl-Reisiniger allerdings schon jetzt nicht allzu viel Spielraum offen. Eine Zusammenarbeit von SPÖ und ÖVP werde ihre Partei nicht stützen: "Ich spüre, dass die Menschen genug haben von Rot-Schwarz oder Schwarz-Rot." Die FPÖ wünsche sie sich ebenfalls in keiner Regierung "und ich bin auch nicht bereit, in einer Koalition mit ihr zu gehen". Bleibt noch Rot-Grün-Pink: "Ich schließe diese Konstellation nicht aus, aber die Erfahrungen mit Rot-Grün in Wien taugen nicht gerade dazu, dieses Modell auch für den Bund zu empfehlen."

Im Zuge des Wahlkampfs werden die Neos jedenfalls im September die Rathausfraktionen zu einem Sonder-Landtag zusammentrommeln. "Machen statt versprechen und nicht halten! Letzte Chance für Wiener SPÖ-Regierung, Kerns Wahlversprechen im Bereich der Landesvollziehung umzusetzen", so der klingende Titel. Inhaltlich wollen die Pinken die SPÖ darauf abklopfen, welche im "Plan A" von Kanzler Christian Kern (SPÖ) enthaltenen Forderungen in Wien schon umgesetzt sind. Denn einige dort angeführten Punkte seien "richtig und wichtig" und gehörten auf kommunaler Ebene implementiert, sagte Meinl-Reisinger.

Fünf Punkte aus dem "Plan A" hat man sich herausgegriffen und will dazu konkrete Anträge einbringen – etwa zur Abschaffung von Sonder- und Luxuspensionen, zur Einführung einer Subventionsbremse oder zum besseren Schutz für Whistleblower. Der genaue Termin für die Sondersitzung muss im Rathaus noch festgelegt werden. (APA, 24.8.2017)