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Die spektakulären Fälle von Datendiebstahl bei Schweizer Banken fanden international viel Beachtung.

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Wien – Der Tiroler Unternehmer Wolfgang U. erhält 2,5 Millionen Euro dafür, dass er sein Diebesgut verkauft. Doch der Deal fliegt auf. U. wird von der Schweizer Polizei verhaftet und kommt in Untersuchungshaft. In einem Berner Gefängnis stranguliert er sich daraufhin mit einem Fernsehkabel.

Genau sieben Jahre ist das jetzt her, doch die Geschichte des Österreichers, genauer genommen seines spektakulären Coups, beschäftigt derzeit wieder die Justiz. Wolfgang U. war im Jahr 2010 der Mittelsmann beim Verkauf von Bankkundendaten, die zuvor in der Schweiz gestohlen worden waren. Das Diebesgut waren tausende Datensätze über deutsche Staatsbürger, die ihr Geld auf Schweizer Konten lagern hatten. Der Tiroler knüpfte Kontakte zu deutschen Steuerfahndern und verkaufte ihnen die Informationen.

Nun ein Spion

Ein deutsches Strafverfahren wirft nun ein neues Schlaglicht auf den Fall und darauf, wie die Schweizer Behörden einst versucht haben, das Bankgeheimnis zu schützen. Die deutsche Staatsanwaltschaft hat vergangene Woche bekanntgegeben, dass sie gegen den Schweizer Staatsbürger Daniel M. Anklage erheben wird.

Daniel M. soll im Auftrag des Schweizer Nachrichtendienstes jene deutschen Steuerfahnder ausspioniert haben, die von Wolfgang U. die Bankdaten gekauft hatten. Daniel M. soll mehrere Jahre lang für den Schweizer Geheimdienst Informationen gesammelt haben. Der Verdächtige sitzt in Untersuchungshaft, für ihn gilt die Unschuldsvermutung.

Ausgangspunkt des Falles ist das Jahr 2008. Der Tiroler Unternehmer U. lebt damals in dem Schweizer Ort Winterthur. Laut Gerichtsakten lernt er dort in einem Fitnesscenter einen Bankmitarbeiter der Credit Suisse kennen. Der Mann ist mit der Verarbeitung von Kundendaten bei der Bank beschäftigt und hat zu dieser Zeit angefangen, illegal Daten von dem Server des Kreditinstituts zu kopieren. Gemeinsam mit U. entwickelt er die Idee, die Informationen zu verkaufen.

Die Zeiten sind damals andere: In der Schweiz besteht das Bankgeheimnis weitgehend unangetastet. Wohlhabende Kunden aus Deutschland, Sportler, Industrielle, Künstler und Selbstständige, nutzen die Diskretion der Banken in Genf, Zürich und Bern gern.

Die deutschen Steuerprüfer haben kaum Möglichkeiten zu kontrollieren, ob ein Bürger sein Geld in der Schweiz ordnungsgemäß versteuert hat. Eine Kontoöffnung dürfen sie nur beantragen, wenn sie Belege für eine Straftat haben. Aber Belege lassen sich oft nur finden, wenn man Einblick in Transaktionen hat. Womit sich die Katze in den eigenen Schwanz beißt.

Die "Panini-Typen"

Der Tiroler Wolfgang U. erkennt den Wert der Bankdaten der Credit Suisse. Er knüpft Kontakt zu Steuerfahndern in der Stadt Wuppertal in Nordrhein-Westfalen. Aus den Medien weiß er, dass die Wuppertaler Fahnder zwei Jahre zuvor an dem Ankauf von gestohlenen Bankdaten bei der Liechtensteiner LGT Bank beteiligt waren. Damals flossen Millionen an den Datendieb.

Die Ermittler in Wuppertal sind von den Informationen, die ihnen der Österreicher anbietet, angetan. Zwischen März 2008 und November 2009 treffen sie sich sechsmal mit U. Er übermittelt den deutschen Fahndern Stichproben zu den Daten von Credit Suisse. Der Ton ist amikal, viele E-Mails und SMS gehen hin und her. Dabei werden auch Codewörter verwendet. Die vermeintlichen Steuersünder hießen in den SMS von U. die "Panini-Typen".

Zwischen 1500 und 2000 Kundendaten überträgt der Tiroler nach Nordrhein-Westfalen. 2,5 Millionen Euro erhält er dafür Anfang März 2010 von den Deutschen. Ein Teil des Geldes landet bei einer Sparkasse in Dornbirn. Diese will wissen, woher die Mittel kommen. U. verheddert sich in Widersprüche. Die Bank erstattet eine Meldung wegen Geldwäscheverdachts an die Polizei in Österreich. Diese beginnt zu ermitteln.

Jahrelanger Prozess

Die Schweizer Polizei weiß zu dieser Zeit von dem Datenleck. Sie wird von ihren Kollegen aus Österreich über die Identität des Datendiebes aufgeklärt. Am 14. September 2010 wird U. in der Schweiz verhaftet, ihm wird unter anderem Verletzung des Bankgeheimnisses und Wirtschaftsspionage vorgeworfen.

Nach dem Selbstmord des Tirolers beginnt ein jahrelanger Zivilprozess in Österreich über seinen Nachlass, im Wesentlichen über die Millionen aus Deutschland.

Die Prozessakten, die dem STANDARD vorliegen, zeigen, wie groß das Interesse der Schweizer an den Wuppertaler Steuerfahndern war, die mit Wolfgang U. in Kontakt standen.

Die Gruppe besteht nur aus drei Personen. Berüchtigt in Deutschland wird später der leitende Ermittler, Peter Beckhoff. Er und sein Team kaufen nach 2010 immer wieder gestohlene Bankdaten aus der Schweiz ein. Mehrere Milliarden Euro wird das dem Staat einbringen. Neben der Ausforschung tausender Steuerhinterzieher lösen die Ermittler eine Welle von Selbstanzeigen aus. In der Öffentlichkeit entbrennt eine Debatte darüber, ob die Käufe der Steuer-CDs, die in Deutschland legal sind, moralisch gerechtfertigt sind.

Ein Steuerfahnder aus Nordrhein-Westfalen erzählt dem STANDARD, dass die Beckhoff-Gruppe extrem verschwiegen war, nach außen drangen keine Informationen. "Wir wussten immer nur, wenn Beckhoff ein paar Tage nicht im Amt war, dann bahnt sich etwas an, dann kommt bald Arbeit auf uns zu", so der Fahnder.

Quelle platziert

Die Schweizer Ermittler identifizieren die Mitglieder der Wuppertaler Gruppe 2010. Sie finden die E-Mails und SMS auf dem Computer und dem Handy von Wolfgang U. Das reichte offenbar nicht aus. Der Schweizer Nachrichtendienst beauftragte im Juli 2011 Daniel L. damit, Telefonnumern, die private Erreichbarkeit und die Geburtsdaten der drei Ermittler auszuforschen. So steht es in einer Erklärung der deutschen Staatsanwaltschaft. Der Verdächtige soll die Daten über eine hessische Sicherheitsfirma beschafft haben. Er soll sogar eine "Quelle" in der nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung platziert haben. 60.000 Euro Aufwandsentschädigung plus ein monatliches Honorar bekam er dafür.

Die Schweiz hat das Bankgeheimnis inzwischen wesentlich gelockert. Derzeit beginnt in der EU der grenzüberschreitende Austausch von Bankkundendaten, auch die Eidgenossen werden daran nach viel internationalem Druck teilnehmen. Die in Österreich beschlagnahmten Gelder von Wolfgang U. landeten in der Schweizer Staatskasse. Sie wurden von der Justiz in Österreich als Erlös aus einer Straftat eingestuft. Im vergangenen Juni ist der Steuerfahnder Beckhoff in Pension gegangen. Der Spiegel nannte ihn in einer Würdigung "den besten Steuerfahnder Deutschlands". (András Szigetvari, 23.8.2017)