Graz/Linz – Schätzungen zufolge sind in Österreich etwa 100.000 Menschen von einer Makula-Degeneration betroffen. Diese Erkrankung des hinteren zentralen Bereiches der Netzhaut kann zum Erblinden führen. Grazer Forscher arbeiten nun an der Entwicklung von Nanostrukturen, die zerstörte Sinneszellen ersetzen sollen.

Millionen von Lichtrezeptoren im menschlichen Auge wandeln das einfallende Licht in Nervenreize um, leiten es an andere Nervenzellen der Netzhaut und schließlich über den Sehnerv an das Gehirn weiter. Fallen diese Sinneszellen durch eine Schädigung wie etwa eine Makula-Degeneration aus, droht die Person zu erblinden. Forscher haben erkannt, dass dabei zwar die Funktionalität der Sehzellen, aber nicht die am Sehvorgang beteiligten weiteren Strukturen verloren gehen, erklärt Rainer Schindl vom Institut für Biophysik der Medizinischen Universität in Graz.

Seit rund 20 Jahren beschäftigen sich daher weltweit viele Forscher damit, beispielsweise Implantate in Form von Chips zu entwickeln, die den Patienten wieder eine Art Sehen ermöglicht. Der Traum von Rainer Schindl und seiner Kollegen von der Johannes Kepler Universität Linz, der Uni Erlangen-Nürnberg, dem schwedischen ITN Campus Norrköping und der Universität Prag ist es jedoch, mithilfe von lichtempfindlichen Nanostrukturen, die ins menschliche Auge gespritzt werden, die Sehkraft wiederherzustellen.

Kleine Erfolge

Nun ist es den Forschern erstmals gelungen, entsprechende Nanostrukturen aus Farbpigmenten herzustellen, deren dreidimensionale Struktur einen bisher unerreicht feinen Oberflächenkontakt zu biologischen Zellen ermöglicht. Sie sollen künftig als künstliche Lichtrezeptoren im Auge eingesetzt werden und den Sehapparat so stimulieren, dass wieder Lichtwahrnehmungen möglich werden. "Wenn wir diese Nanostrukturen, die eng an die Nervenzellen andocken, direkt ins menschliche Auge spritzen können, dann haben wir mit jedem einzelnen Pigmentmolekül einen Stimulator und könnten das Sehergebnis im vergleich zu bisherigen Chip-Systemen bei weitem verbessern", hofft Schindl.

In den ersten Versuchen mit isolierten Zellen, die jüngst im Journal "Nature Communications" publiziert wurden, hat sich herausgestellt, dass die neuen Nanokristalle durch einen intensiven kurzen Lichtstrahl tatsächlich elektrisch stimuliert werden können. Die Vision der Forscher ist es, dass eine Brille die Bildinformationen aus der Umwelt des Patienten aufnimmt, in einen verstärkten Lichtstrahl umwandelt und drahtlos als Stimulationsbefehl an die künstlich eingesetzten Nanostrukturen im Auge weiterleitet.

Mit Eric Glowacki von der Linköpings Universität in Schweden und Ute Schäfer von der Grazer Uniklinik für Neurochirurgie arbeitet Schindl nun daran, diese organischen Halbleiter zu optimieren. So sollen gezielt Nervenzellen der Netzhaut aktiviert werden können. Bisher wurden die Nanokristalle an undifferenzierten Zellkulturen erprobt. Nun will man herausfinden, wie gut sie Ganglienzellen des Auges für die Reizweiterleitung ins Gehirn stimulieren können. "Bis sie am Menschen eingesetzt werden könne, werden wir noch mehrere Jahre beschäftigt sein", relativiert Schindl. (APA, 16.8.2017