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Fußball ist die Männerdomäne schlechthin. Doch unter den vielen aktiven Profikickern gibt es keinen einzigen geouteten Spieler.

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Thomas Hitzlsperger hat sich kurz nach seinem Abschied vom Profifußball geoutet, ein großes Medienecho folgte.

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US-Fußballspieler Robbie Rogers hat sich 2013 geoutet.

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Ex-Nationaltrainer Otto Barić äußerte sich mehrmals abfällig zum Thema.

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Für U21-Trainer Werner Gregoritsch ist Homosexualität etwas "Unnatürliches".

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Spieler haben den Spott der Fans bei einem Outing zu befürchten.

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Fußball ist, wie es "Zeit online" so schön formuliert hat, das "Allerheiligste des Mannes", "ein Refugium ungestörter Männlichkeit". Der Ballsport ist die Männerdomäne Nummer eins, in der Sportaffinität, Zusammenhalt und Identifikationspotenzial sowie Leidenschaft zusammentreffen. Doch einen Makel gibt es im Fußball: Schwule Fußballer scheint es nicht zu geben. "Schwul" hängt als Schimpfwort wie ein Damoklesschwert über dem Sport.

Homosexualität im Fußball, ein Tabu

Für manche ist Fußball eine eigene Religion. Und genau wie in den Glaubensgemeinschaften ist eines ausdrücklich unerwünscht: Homosexualität. In kaum einem anderen männerdominierten Milieu wird Homosexualität so sehr unterdrückt oder mundtot gemacht. Dabei haben Fußballverbände in den vergangenen Jahrzehnten einen Wandel hin zu mehr Toleranz gemacht. Mittlerweile werden Spieler vom Verein und Verband sogar dazu ermutigt, sich zu outen – der DFB hat dazu eine eigene Broschüre veröffentlicht.

Der Engländer Justin Fashanu gilt als erster noch aktiver Fußballer im Profisport, der sich outete. Das war 1990. In den USA outete sich Robbie Rogers 2013 als schwul, legte aber im gleichen Atemzug seine Tätigkeit als Profispieler nieder. In Deutschland gab es einen großen Buhei, als sich Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger 2014 zu seiner Homosexualität bekannte. Anfang 2016 brach der steirische Fußballer Oliver Egger mit dem Tabu – die Dokumentation "Der Tag wird kommen" handelt davon –, in der Schweiz wagte der Schiedsrichter Pascal Erlachner 2017 diesen Schritt.

Versteckspiel statt im Abseits zu stehen

Die Gründe, sich nicht zu outen, gehen Hand in Hand: Ein öffentliches Eingeständnis der eigenen homosexuellen Orientierung würde zwar zunächst medialen Rummel verursachen und durch den Fußballverband unterstützt und begrüßt werden, doch auch dieser Rückenwind ebbt irgendwann mal ab, berichtet ein anonymer, ungeouteter Drittligist auf Reddit in einem Frage-und-Antwort-Forum. Er erklärt, eine Scheinfreundin zu haben, damit niemand im Verband Verdacht schöpfe. Mit Männern treffe er sich ohnehin nur für Sex. Hitzlsperger, der frühere deutsche Nationalteamspieler, sieht dagegen im Outing keine großen Probleme mehr. Nur Werbeträger würden bei einem Coming-out womöglich abspringen, sagt er im Interview mit der "Zeit".

Und die Fans? Sie fallen nicht gerade durch Toleranz auf: Bei der WM 2014 wurde der brasilianische Torhüter von mexikanischen Fans als "Schwuchtel" beziehungsweise "männlicher Prostituierter" beschimpft, Rapid-Ultras entrollten bei einem Spiel im Februar ein Banner mit dem Slogan "Dem Woamen platzt a Wimmerl auf und ihr macht's an Skandal daraus".

Homophobe Äußerungen von Trainern und Spielern

Auch von Trainern sind homophobe Äußerungen bekannt. So äußerte sich etwa der ehemalige österreichische Nationaltrainer Otto Barić mehrfach unrühmlich zum Thema. "Ich weiß, dass es in meiner Mannschaft keine Homosexuellen gibt. Ich erkenne einen Schwulen innerhalb von zehn Minuten, und ich möchte sie nicht in meinem Team haben", sagte Barić 2004 in einem Interview mit der kroatischen Zeitung "Jutarnji list". Barić wurde aufgrund seiner Aussagen von der Uefa zu einer Geldstrafe verdonnert, konnte aber in einem "Biber"-Interview seine homophoben Aussagen nur schlecht relativieren: "Ich habe nichts gegen Schwule, aber ich will zum Beispiel nicht, dass wenn ich mit meiner Familie am Mittagstisch sitze, so einer dabei ist." Auch der Trainer der österreichischen U-21-Nationalmannschaft Werner Gregoritsch sagte in einem Interview mit der "Kleinen Zeitung" 2011, dass schwule Fußballer "undenkbar" für ihn seien. Und betonte: "Für mich selbst ist es etwas Unnatürliches. (...) Mir ist das Wort Macho lieber als das Wort Schwuler."

Fußball und die Konstruktion von Männlichkeit

Aber warum gibt es im Männerfußball einen solch regelrechten Hass und diese Ablehnung? Gabriele Dietze, Professorin für Kulturwissenschaften an der Humboldt-Universität in Berlin, erklärte auf "Zeit online", dass der Männerfußball eine "Verkörperung der Nation" darstelle und "Männlichkeit" konstruiere. Dementsprechend ist im Fußball kein Platz für Schwule oder Frauen: Männlichkeit, so die Forscherin, entsteht nur in Abgrenzung zum Femininen, zur Weiblichkeit, was im Fußball völlig unerwünscht ist. Deswegen muss ein Mann auch homophob sein, um seine Abgrenzung zum feminisierten Mann beziehungsweise dem Schwulen zu beweisen. Homosexuelle Männer und Frauen sind, so Dietze, keine gleichberechtigten Akteure im Fußball. Folglich ist auch Frauenfußball nicht dem Männerfußball gleichwertig und gilt nicht "als richtiger Fußball".

Apropos Frauenfußball: Dort spielen im Gegensatz zum Männerfußball offen geoutete Spielerinnen in der Profiliga oder in den Nationalteams. Das zeigt, dass sich der männerdominierte Fußball von allen anderen Sportarten abhebt, wo es völlig selbstverständlich ist, dass Homosexuelle offen zu ihrer sexuellen Orientierung stehen. Zum Beispiel traten die US-Wintersportler Gus Kenworthy und Adam Rippon bei den letzten Olympischen Winterspielen in Pyeongchang offen und selbstbewusst als geoutete Sportler auf und wollten damit anderen homosexuellen Sportlern Mut zum Outing machen.

Ist Fußball homophob?

Wieso herrscht beim Männerfußball eine solche Ablehnung gegenüber Homosexuellen vor? Welche homophoben Situationen haben Sie miterlebt? Oder kennen Sie Situationen, in denen Homosexualität im Fußball positiv aufgenommen wurde? (Kevin Recher, 12.6.2018)