Eine weibliche Fruchtfliege (Drosophila melanogaster) bei der Eiablage nach der Paarung.

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Innsbruck – Jeder kennt Drosophila melanogaster, die Schwarzbäuchige Taufliege: Das sind die winzigen Fliegen, die sich in der warmen Jahreszeit oft in Schwärmen von dem angeschlagenen Apfel erheben, den wir im Obstkorb übersehen haben. Davon abgesehen dienen die Insekten als Modellorganismen für genetische und entwicklungsbiologische Untersuchungen: Drosophila melanogaster ist eine der am besten untersuchten Arten der Welt.

Sie ist jedoch bei weitem nicht die einzige Taufliege: Weltweit gibt es mehr als 2000 Drosophila-Arten, und auch deren Erbgut hat spannende Einsichten zu bieten. Die Gruppe von Birgit Schlick-Steiner und Florian Steiner am Institut für Ökologie an der Uni Innsbruck, allen voran Francesco Cicconardi, hat das Genom von 25 Arten verglichen und dabei erstaunliche Anpassungen an deren Umweltverhältnisse festgestellt. Das Projekt ist vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützt worden.

Genetischer Fortschritt

Manche Drosophila-Arten gibt es auf der ganzen Welt, andere haben sich auf bestimmte Lebensräume spezialisiert: so etwa Drosophila nigrosparsa, die in den Alpen auf zirka 2000 Metern Höhe vorkommt und dort freilich andere Lebensbedingungen vorfindet als Drosophila grimshawi, die auf Hawaii lebt. "Gene, die für den Organismus existenzielle Bedeutung haben, sind gewöhnlich stark konserviert", sagt Francesco Cicconardi, "aber Gene, die für die Anpassung an die Umwelt zuständig sind, müssen sich verändern."

Um ähnliche Gene zu finden, die sich im Lauf der Evolution am schnellsten verändert haben, mussten die Biologen die Abfolge von Millionen Basenpaaren vergleichen. Noch vor wenigen Jahren waren solche Arbeiten extrem zeit- und kostenaufwendig. Dank leistungsfähiger Computer und großer Fortschritte bei der DNA-Sequenzierung geht das heute jedoch relativ günstig und innerhalb weniger Tage.

Karge Bedingungen

Im Zuge ihrer Untersuchungen fand die Forschergruppe heraus, dass die alpine Drosophila nigrosparsa im Lauf ihrer Entwicklung zahlreiche Gene verloren hat: Diese waren für die Produktion von Proteinen zuständig, die eine wichtige Rolle für den Geruch- und Geschmackssinn spielen. Über den Grund dafür kann man nur spekulieren, doch die Forscher halten es für denkbar, dass der Verlust in der kargen Umwelt liegt: Auf dieser Höhe gibt es nicht mehr viel zu fressen – eine ausgeprägte Fähigkeit, Nahrungsstoffe zu unterscheiden, birgt da keinen großen Vorteil mehr.

D. nigrosparsa ist übrigens nicht die einzige Art, die ihr geruchliches und geschmackliches Spektrum eingeschränkt hat: Die nur auf einigen Seychellen-Inseln vorkommende D. sechellia, welche die für alle anderen Drosophila-Arten giftigen Früchte des Noni-Baums frisst, hat ebenfalls diverse für Geschmacksrezeptoren kodierende Gene eingebüßt, ebenso die auf den Schraubenbaum (Pandanus candelabrum) spezialisierte westafrikanische D. erecta. Solche Änderungen sind die Basis für die Entstehung neuer Arten und somit von großem Interesse für die Erforschung der Artenvielfalt. (Susanne Strnadl, 12.8.2017)