Wien/London – Bereits in absehbarer Zukunft könnte es für Menschen mit schweren – und selbst mit dem wirksamsten Analgetika nicht beherrschbaren – Gelenks-, Rücken- oder krebsbedingten Schmerzen eine neue Behandlungsmöglichkeiten geben. Es handelt sich dabei um ein Medikament mit dem monoklonalen Antikörper Tanezumab, der den Nervenwachstumsfaktor (NGF) hemmt.

Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat Mitte Juni einem beschleunigten Zulassungsverfahren der von den Pharmakonzernen Pfizer und Eli Lilly entwickelten Wirksubstanz zugestimmt. NGF war ehemals der erste körpereigene auf Nerven wirkende Faktor gewesen, der von Wissenschaftern identifiziert worden war, schrieb der Pharmakologe Helmut Spreitzer (Department für pharmazeutische Chemie) kürzlich in der Österreichischen Apothekerzeitung. Rita Levi-Montalcini (Italien) und Samuel Cohen (USA) erhielten dafür 1986 den Medizin-Nobelpreis.

Die Wissenschafter konnten belegen, dass NGF das Aussprossen von Nervenfasern auslöst. Eine gentechnisch hergestellte Form von NGF ist von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) zur Behandlung der seltenen und fortschreitenden Augenerkrankung Keratitis neuroparalytica zugelassen worden. Tanezumab ist der erste in fortgeschrittener klinischer Prüfung an Patienten stehende Hemmstoff für NGF.

Mögliche Alternative

Der Antikörper blockiert die Bindung von NGF an zwei Rezeptoren, die für die Schmerzempfindung wichtig sind. In einer Studie der Phase-II (Sicherheit und Dosisfindung) mit 440 Probanden konnte bei Patienten mit schweren Gelenksarthrosen eine Schmerzreduktion um 45 bis 62 Prozent erzielt werden. Derzeit laufen insgesamt sechs Placebo-kontrollierte Studien mit rund 7.000 Probanden zur Wirksamkeit des Medikaments.

Eine schnelle Zulassung ist durch die FDA für Patienten mit schwerer und mit herkömmlichen Mitteln (auch Opioide) nicht ausreichend beherrschbarer Schmerzsymptomatik wegen Gelenkserkrankungen, Krankheiten der unteren Wirbelsäule oder schweren tumorbedingten Schmerzuständen geplant.

Die Entwicklung von Tanezumab stieß in den vergangenen Jahren immer wieder auf Probleme und wurde zeitweise unterbrochen. Neben nichtsteroidalen Antirheumatika mit potenziell gefährlichen Nebenwirkungen gibt es seit Jahrzehnten nur die Opioide und einige wenige aus der Psychiatrie bzw. Neurologie stammende Substanzen, die in der Analgesie eingesetzt werden. Bei weitem nicht alle Patienten können damit ausreichend behandelt werden. (APA, 8.8.2017)