Allabendlich wälzen sich auf den Champs-Élysées Blechschlangen Richtung Arc de Triomphe. Ab 2020 werden alte Fahrzeuge aus Paris und anderen Stadtzentren ausgesperrt – egal ob mit Dieselmotor oder Benziner.

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Frankreich hat die Beschlüsse des deutschen Dieselgipfels mit größtem Interesse verfolgt. Die Debatte läuft hier anders: Die Franzosen fragen sich nicht so sehr, wie sie Dieseltechnik sauberer machen könnten oder ob sie ganz vom Selbstzünder lassen sollten – nein, der Bannstrahl trifft alle Verbrennungsmotoren. Bis 2040 soll Frankreich CO2-neutral fahren, Verbrennungsmotoren passé sein, kündigte Umweltminister Nicolas Hulot vor ein paar Wochen an.

Das klingt nicht nur für die Franzosen nach Science-Fiction. Erst gut ein Prozent der Fahrzeuge auf Frankreichs Straßen fährt elektrisch. Hybridmotoren sind etwas zahlreicher, doch auch sie sollen bis 2040 verschwinden. Technisch sei die "Treibstoffwende" machbar, meint Hulot, ein ehemaliger Fernsehstar der Umweltsendung "Usuhaïa", im Mai von Staatspräsident Emmanuel Macron zum Superminister für Energie und Umwelt ernannt.

Staatliche Förderung

Der Umstieg beginnt bald. Als Erstes will Hulot die Preisdifferenz für Diesel und Benzin ausgleichen. An französischen Tankstellen zahlt man für "gazole" (Diesel) immer noch rund zehn Cent weniger als für Benzin. Das ist eine Folge der staatlichen Förderung von Diesel. Die Technologie war von französischen Ingenieuren früh entwickelt worden: Citroën produzierte 1933 das erste Dieselmodell überhaupt, Peugeot 1968 den weltweit ersten Dieselkleinwagen. PSA (Peugeot, Citroën, DS und neuerdings Opel) gehört noch heute namentlich dank der Motorenfabrik von Trémery in Lothringen zu den weltweit führenden Dieselmotor-Herstellern.

So kann nicht erstaunen, dass in Frankreich mehr als die Hälfte der verkauften Autos – 52,1 Prozent – nach wie vor Diesel-Kfz sind. Und das, obwohl auch die französischen Autobauer kräftig schummeln. Gegen Renault ermittelt seit März das Betrugsdezernat DGCCRF, weil der Hersteller die Käufer bei den Abgaswerten offenbar massiv täuschte.

Umfragen zufolge wollen 85 Prozent der Franzosen lieber eine "saubere" Dieseltechnologie als ein Verbot der Motoren. Das läge näher bei den Positionen der deutschen Autoindustrie.

Viele Behörden und Städte – wie etwa Paris – wollen dem Diesel aber den Garaus machen. Sie haben damit nicht auf "Monsieur Hulot" – wie der Minister analog zur Slapstick-Figur von Regisseur Jacques Tati genannt wird – gewartet. Anne Hidalgo, die sozialistische, mit den Grünen alliierte Bürgermeisterin von Paris, hat alten Dieselwagen mit Baujahr vor 2001 die Zufahrt ins Stadtzentrum verweigert. Mit "gazole" betriebenen Autos sollen dort ab 2020 verboten werden. Benziner werden verbannt, wenn sie älter als aus dem Jahr 1997 sind, für Lastwagen und Busse gelten noch schärfere Vorschriften.

Kaum Proteste

Die Reaktionen der sonst so rebellischen Franzosen auf Hulots und Hidalgos Ankündigungen sind ungewohnt: Öffentliche Proteste gibt es kaum, obwohl sich viele Halter dieselbetriebener Autos verraten fühlen: Plötzlich verteufeln die Behörden den "gazole", dessen Vorzüge sie seit den 60er-Jahren gelobt hatten. Fast scheint es, als glaubten die Franzosen selbst – noch – nicht recht an die Zeitenwende unter der Motorhaube. Zu oft hatten Frankreichs Politiker schon ähnliche Ankündigungen gemacht. Etwa betreffend den Abbau der Diesel-Benzin-Preisdifferenz, die immerhin die erste und konkreteste Umsetzung dieser Wende wäre. Der Unterschied an der Zapfsäule sinkt nur sehr langsam. Dabei würde die Regierung daraus sogar fiskalische Mehreinnahmen gewinnen, ist doch geplant, dass der Diesel- zum Benzinpreis aufschließt, nicht umgekehrt.

Die Preisspanne werde 2020 getilgt sein, bekräftigte der neue Premierminister, Édouard Philippe. Das tönt für französische Ohren so unglaubwürdig wie die Erklärung von Ex-Präsident François Hollande vor fünf Jahren, er werde den Anteil von Atomstrom an der nationalen Produktion bis 2025 von 75 auf 50 Prozent senken. Dazu wollte er als Erstes das älteste AKW Fessenheim im Elsass "Ende 2016" vom Netz nehmen. Neuerdings heißt es, Fessenheim werde 2019 abgeschaltet. Vielleicht auch etwas später. (Stefan Brändle aus Paris, 7.8.2017)