Adelaide – Es wäre der Stoff für einen schlechten Gruselfilm: Da treibt man schiffbrüchig auf hoher See und sieht auf allen Seiten nur Horizont, bis plötzlich ein Baum ins Sichtfeld gerät, den es vom fernen Festland irgendwie ins Meer gespült hat. Und als man sich an dieser Rettungsinsel festklammert, muss man feststellen, dass sie voller giftiger Spinnen ist ...

So in etwa – abzüglich schiffbrüchiger Mensch natürlich – muss das Szenario tatsächlich ausgesehen haben, das die Falltürspinne Moggridgea rainbowi nach Kangaroo Island vor der Südküste Australiens gebracht hat. Falltürspinnen haben ihren Namen von ihrer Jagdtaktik, in einer Wohnröhre im Boden hinter einer selbstgebastelten "Falltür" auf vorbeispazierende Insekten zu lauern.

Der Sonderfall

In Australien gibt es eine ganze Reihe von Arten aus verschiedenen Spinnenfamilien, die diesen Lebensstil pflegen. Die etwa zwei Zentimeter große Spezies Moggridgea rainbowi aus der Familie der Migidae ist allerdings etwas Besonderes: Alle ihre unmittelbaren Verwandten leben nämlich in Südafrika.

Weitgereist: Moggridgea rainbowi.
Foto: Nick Birks

Ein Forscherteam um Sophie Harrison von der Universität Adelaide hat nun DNA-Analysen an der Spinne durchgeführt, um ihren Ursprung zu klären. Mit Hilfe der "Molekularen Uhr", die Zeit in Form von Mutationssprüngen misst, ließ sich feststellen, dass sich die australische Spinne vor zwei bis 16 Millionen Jahren von ihrer afrikanischen Verwandtschaft getrennt hat, berichten die Forscher im Fachmagazin "Plos One".

Damit entfallen die beiden naheliegendsten Möglichkeiten, wie sie eingewandert sein könnte. Weder hat sie der Mensch eingeschleppt – noch wurde sie von ihren Verwandten getrennt, als der Superkontinent Gondwana auseinanderbrach. Afrika hatte sich schon längst weit vom Rest des Superkontinents entfernt, als Moggridgea rainbowi entstand.

Seefeste Spinnen

Somit bleibt nur das Szenario, dass die Spinnen auf einer "Insel" aus Pflanzenmaterial über den gesamten Indischen Ozean trieben. Solche natürlichen Flöße gelten als Transportmittel für viele tierische Migrationen – unter anderem dürften so die Affen von Afrika nach Südamerika gelangt sein.

Harrisons Kollege Andrew Austin verweist darauf, dass man Moggridgea auch auf den Komoren gefunden hat, 340 Kilometer vom afrikanischen Festland entfernt. Die mit etwa 10.000 Kilometern bedeutend längere Reise nach Australien sei also nur eine extreme Ausformung eines Prozesses gewesen, der sich immer wieder abgespielt hat.

Harrison vermutet, dass das "Floß" eine Ballung aus Pflanzenmaterial war, die auch größere Erdklumpen enthielt: Platz genug für eine kleine Kolonie von Spinnen. In ihren stabilen, mit Spinnenseide ausgekleideten Wohnröhren wären die Tiere sogar relativ sicher gereist, glaubt die Forscherin.

Zur Ruhe gesetzt

Und als hätte die Spezies mit dieser epischen Seefahrt ihre Mobilitätsreserven aufgebraucht, verhält sich Moggridgea rainbowi heute ausgesprochen häuslich. Sie legt ihre Röhren nahe der Gezeitenmarke an und wartet darin tagein tagaus geduldig darauf, dass Beute vorbeikommt. Schlüpft eine neue Spinnenbrut, graben sich die Jungtiere nur wenige Meter von Mutters Bau entfernt ihrerseits ein und verbringen dort den Rest ihres Lebens. (jdo, 7. 8. 2017)