Für die Regierungsparteien verlief der Wahlkampf bislang fast synchron. Vereint in ihrem Ekel voreinander und der Angst vor einem drohenden Machtverlust, gingen beide dazu über, sich die FPÖ als zukünftigen Partner schönzusaufen. Logische Konsequenz dieser Strategie ist, dass man dabei selbst immer blauer wird. Der Schmiedl Sebastian Kurz lässt sich bereitwillig die Steigbügel vom Schmied Strache anfertigen, und sollte Christian Kern noch trotzig darauf bestehen, Rechtspopulisten kein Gehör zu schenken, so würde Hans Niessl wohl spontan die Gebärdensprache erlernen.

Doch wie es bei mit Vorsatz durchgezogenen Trinkexzessen passieren kann: Plötzlich meldet sich der Magen und will seinen Inhalt loswerden. Ausgelöst hat diesen Wunsch Johannes Hübner, Bereichssprecher für Außenpolitik, Europa und Entwicklungszusammenarbeit im Nationalrat, der zuvor von H.-C. Strache im Falle einer FPÖ-Regierungsbeteiligung als möglicher Außenminister genannt wurde. Wie das in der Praxis ausgeschaut hätte, ließ Hübner bei einem Vortrag in Deutschland erahnen. Dort erheiterte er die Versammlung einer laut deutschem Verfassungsschutz "von ehemaligen SS-Offizieren und NSDAP-Funktionären gegründeten Sammelorganisation publizistisch aktiver Rechtsextremisten" mit antisemitischen Sprüchen.

Die dadurch ausgelösten Würgereflexe hatten auf SPÖ und ÖVP kurzfristig ernüchternde Wirkung, in Form einer Distanzierung von ihrem Koalitionspartner in spe, wobei sie sogar von der Kronen Zeitung unterstützt wurden. Stellt sich nur die Frage: Was habt ihr erwartet?

Hübner ist Anwalt der Burschenschaft Olympia, die gerne Holocaust-Leugner, vorbestrafte Neonazis und Verfasser von Spottliedern über die Judenvernichtung ("Bei 6 Millionen Juden, da fängt der Spaß erst an, bei 6 Millionen Juden, da ist der Ofen an") einlädt. Wer diese Vereinigung als "ewiggestrig" bezeichnet, übersieht ihre Verankerung im Heute. So ist nicht nur der von Strache als möglicher Justizminister genannte Harald Stefan, sondern auch der für die aktuelle FPÖ-Propagandaplattform Unzensuriert.at zuständige Klubreferent Walter Asperl Mitglied der Olympia.

Staunen über Antisemitismus bei den Freiheitlichen ist also ähnlich berechtigt wie Verwunderung über Alkoholmissbrauch beim Münchner Oktoberfest und bestenfalls erklärbar durch eine von der blauen Anti-Islam-Haltung ausgelöste Wahrnehmungstäuschung. Nur weil ein Wolf gerade einen Hasen jagt, heißt das nicht, dass er an Lämmern nicht mehr interessiert ist. Wer mit diesem Wolf weiterhin zu Bett gehen will, darf sich daher über ein Aufstehen mit olympischen Flöhen auch nach Hübners Rückzug nicht wundern.

Überraschen könnten vielleicht die Flöhe selbst. Das lässt zumindest ein Zitat des Ex-FPÖ-Nationalratspräsidenten und Olympia-Recken Martin Graf vermuten, das der rigorosen "Macht die Grenzen dicht"-Linie seiner Partei radikal widerspricht: "Die heutigen Staatsgrenzen wurden willkürlich gezogen. Das deutsche Volkstum muss sich frei in Europa entfalten können." Hier schlummert ein neuer Ansatz der Migrationspolitik, frei nach dem Motto "Seit 5.45 Uhr wird jetzt zurückgeflüchtet!" (Florian Scheuba, 2.8.2017)