Wien – Vor zweieinhalb Monaten rief der neue ÖVP-Chef Sebastian Kurz Neuwahlen aus, in zweieinhalb Monaten, am 15. Oktober, wird gewählt. DER STANDARD zieht eine Zwischenbilanz des bisherigen Wahlkampfs.

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SPÖ-Chef Christian Kern forciert Themen, findet damit aber kaum Widerhall im Wahlkampf.

apa

SPÖ

Kanzler Christian Kern kann man nicht vorwerfen, dass er keine Themen in den Wahlkampf eingebracht hätte. Beginnend mit seinem "Plan A", der für größere Irritationen beim Koalitionspartner gesorgt hatte, hat die SPÖ bis zuletzt eine breite Palette an Themen forciert. Mit den jüngsten Parlamentsbeschlüssen wurde der Pflegeregress in den Bundesländern abgeschafft, ein Programm für Langzeitarbeitslose installiert ebenso wie ein Beschäftigungsbonus für Unternehmen. Für einen Mindestlohn von 1500 Euro gibt es zumindest eine Vereinbarung der Sozialpartner und einen konkreten Fahrplan.

Die SPÖ hat in dieser Woche versucht, das Pensionsthema – hohe Sonderpensionen kürzen, Mindestpensionen erhöhen – noch einmal in die politische Diskussion zu bringen, die ÖVP ließ sie damit allerdings ins Leere laufen, wie bei anderen Themen auch. Die Erbschaftsteuer bleibt ebenso im Programm wie der Kampf gegen Steuervermeider. Internationale Konzerne sollen in die nationale Verantwortung genommen werden. Dafür sollen die Lohnsteuer und die Sozialversicherungsabgaben runter.

Personell tut sich im Vergleich zu anderen Parteien wenig. Christian Kern setzt auf Christian Kern, nebenbei wird noch Hans Peter Doskozil als Mann für das Grobe und die Sicherheit forciert. Die Quereinsteiger haben bereits auf der Regierungsbank Platz genommen und auch ein wenig an Glanz eingebüßt. Neuigkeiten soll es am Donnerstag geben, wenn der Parteirat die Kandidaten und das Wahlprogramm absegnet.

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Der neue ÖVP-Chef Sebastian Kurz spart sich seine Themen für die Schlussphase des Wahlkampfes auf.
apa

ÖVP

Die ÖVP setzte bisher mehr auf Köpfe denn Inhalte. Das Wahlprogramm der Neuen Volkspartei wird erst im September präsentiert. Regelmäßig werden medienwirksam türkise Quereinsteiger für die Bundesliste vorgestellt: der ehemalige Grünen-Politiker Efgani Dönmez, Opernballorganisatorin Maria Großbauer, die Ex-Stabhochspringerin Kira Grünberg. Insgesamt möchte Parteichef Sebastian Kurz hundert Personen nominieren, die noch nie für die ÖVP auf Bundesebene angetreten sind – wobei es maximal neun Kandidaten ins Parlament schaffen werden.

Das dominierende Thema von Kurz ist "die Mittelmeerroute". Über Italien und den Brenner erreichen Österreich derzeit nach Angaben von Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) "stabil" rund 25 Migranten täglich. Da die Ankünfte in Italien aber zunehmen, möchte Kurz diese Fluchtroute "schließen" – darauf pocht der Außenminister regelmäßig. Seinen politischen Gegnern und einigen internationalen Politikern ist allerdings nicht klar, wie das gelingen soll. Kurz argumentiert, man müsse verstärkt mit Ländern wie Ägypten, Tunesien oder auch Libyen zusammenarbeiten.

Zur Finanzierung des Wahlkampfs setzt die ÖVP erstmals auf Crowdfunding. Nach einer Verdoppelung der bisherigen Summe durch KTM-Chef Stefan Pierer konnte die ÖVP mit Ende Juli dadurch 873.926 Euro lukrieren.

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FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache geht es vorerst gemächlich an. Auch die FPÖ startet spät.
apa

FPÖ

Der Wahlkampf der FPÖ ist noch nicht so richtig in die Gänge gekommen. Parteichef Heinz-Christian Strache (FPÖ) urlaubte auf Ibiza und fiel vor allem mit Strandfotos von ihm mit seiner Frau Philippa auf. Programme oder Kandidaten hat die FPÖ bisher keine präsentiert.

Einzig der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer meldete sich zuletzt mit Kritik an Christian Kern (SPÖ) zu Wort: Die Drohungen des Kanzlers gegenüber Ungarn beschäme die "Tradition Österreichs".

Ruhig waren die ersten Wochen des Sommers für die FPÖ dennoch nicht. Nachdem der STANDARD öffentlich machte, dass der FPÖ-Abgeordnete Johannes Hübner bei einer Rede auf einer rechten Veranstaltung antisemitische Codes verwendete, zog dieser seiner Kandidatur zurück. Generalsekretär Herbert Kickl sprach von einer "persönlichen Entscheidung" Hübners und "Agitationen gegen die FPÖ". Der FPÖ-Abgeordnete war als möglicher Minister in einer Koalition mit den Freiheitlichen gehandelt worden.

Ein erstes "Zwischenhoch" im Wahlkampf wird es um das ORF-Sommergespräch mit Strache am 21. August geben, heißt es aus der Partei. Zu diesem Zeitpunkt wolle man auch das lang versprochene Wirtschaftsprogramm und die ersten Plakate präsentieren.

Der offizielle Wahlkampfauftakt findet am 16. September statt, in Wien starten die Freiheitlichen schon am 1. September.

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Die grüne Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek will sich mit Sachthemen gegen den Populismus stellen.

apa

Grüne

Für die Grünen war der Wahlkampf bisher eine einzige Achterbahnfahrt. Nur wenige Tage nach dem Rücktritt von Reinhold Mitterlehner verabschiedete sich auch Grünen-Chefin Eva Glawischnig. Die Nachfolge wurde zwar rasch gelöst, Glawischnigs Aufgaben sind jetzt aber auf drei Personen verteilt – Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek, Parteichefin Ingrid Felipe und Klubchef Albert Steinhauser, was die Kommunikation nach außen nicht gerade erleichtert.

Inhaltlich versuchen sich die Grünen als sachliche Partei, die ohne Populismus auskommt, zu positionieren. Gepusht werden Sozialthemen wie die Forderung nach einer Mietzinsobergrenze, einer Erbschaftssteuer ab 500.000 Euro und einem Mindestlohn von 1750 Euro sowie urgrüne Themen wie der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und ein bundesweites Öffi-Ticket um 1100 Euro. Alles überlagert wurde in den vergangenen Wochen aber von der Abspaltung des langjährigen Grünen-Abgeordneten Peter Pilz.

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Peter Pilz macht mit seiner Liste vorerst den Grünen zu schaffen und setzt auf Personen, allen voran seine eigene.
hendrich

Liste Pilz

Peter Pilz hat kein Parteiprogramm, aber vorerst sieben Kandidaten, die für bestimmte Themen einstehen sollen. Ansonsten setzt der ehemalige Grüne auf seine eigenen Themen, das sind die Korruptionsbekämpfung, Steuergerechtigkeit, der Kampf gegen den politischen Islam und die nationalen Rechtsausleger. Im Grunde bleibt aber Pilz selbst das beherrschende Thema seiner Liste.

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Neos-Chef Matthias Strolz kämpft ums Überleben, er präsentiert ständig neue Themen und Köpfe.
apa

Neos

Inaktivität kann man den Neos rund um ihren Parteigründer Matthias Strolz nicht nachsagen. Nach monatelangen Gesprächen gelang es den Pinken, Irmgard Griss an Bord zu holen. Die einstige Präsidentschaftskandidatin wurde sogar in den Listennamen aufgenommen.

Prominente Unterstützer konnten auch aus dem ÖVP- bzw. Raiffeisensektor abgeworben worden. Ex-ÖVP- und Raiffeisen-Generalsekretär Ferry Maier berät die Neos bei der Integrationspolitik, Ex-Raiffeisen-Manager Karl Sevelda wurde für Wirtschaftsfragen, der frühere Minister Heinrich Neisser für Europathemen an Bord geholt. Dem Thema Digitalisierung nimmt sich Facebook-Rebell Max Schrems an.

Strolz trommelt landauf, landab das Bildungsthema. Seine Abgeordneten sorgen mit parlamentarischen Anfragen für Medienpräsenz. Sozialsprecher Gerald Loacker nimmt die Spitzenpensionen und Quersubventionierungen bei den Sozialversicherungsträgern ins Visier, Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn droht der Wirtschaftskammer mit Boykott, Wien-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger thematisierte die Billigmiete, die die Stadt Wien der SPÖ verrechnet. In den Umfragen hat sich all das bis jetzt nicht wirklich niedergeschlagen. Die Neos liegen zwar konstant über der Vier-Prozent-Hürde, aber eben auch nicht weit drüber. (völ, mika, koli, go, 2.8.2017)