Der Wahlkampf läuft an, die Parteien wollen nicht nur ihre Stammwählerschaft mobilisieren, sondern vor allem Wechselwillige überzeugen.

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Linz – Man würde das Bild eines vorbildlichen Demokraten wohl so zeichnen: "Ein Mensch, der die Wahlentscheidung ernst nimmt, sich Gedanken macht" und nach reiflicher Überlegung seinen Wahlzettel ausfüllt und abgibt. Tatsächlich sehen sich erklärte Wechselwähler so, wie eine Market-Umfrage für den STANDARD ergibt.

"Wechselwähler werden bei der Nationalratswahl im Herbst besonders wichtig sein, weil relativ viele Stimmen auf dem Markt sind", sagt Market-Institutsleiter David Pfarrhofer: "Allein das BZÖ hat 2013 noch 165.746 Stimmen bekommen, andere Parteien, ob Kommunisten, Piraten oder der Wandel, von denen man seither wenig gehört hat, haben weitere 96.000 Stimmen gehabt – und dann gibt es noch die 268.679 Stimmen für das Team Stronach, das in dieser Form nicht mehr antritt. Also insgesamt eine halbe Million Personen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit wechseln werden."

Dazu komme noch, "dass es innerhalb des etablierten Parteienspektrums zu Verschiebungen kommen dürfte und mit Peter Pilz zumindest eine neue wahlwerbende Gruppe auftritt, die erklärtermaßen Wähler anderer Parteien für sich gewinnen will, sowie mit G!lt eine Gruppe, die Nichtwähler mobilisieren will".

Positives Selbstbild der Wechselwähler

52 Prozent derjenigen, die sich selber als Wechselwähler einstufen, geben dem oben geschilderten Bild die Note "sehr gut": Genau so sei ein Wechselwähler. Im Schnitt vergeben Wechselwähler der Einschätzung, dass ihresgleichen ernsthaft und nach reiflichem Nachdenken eine Wahlentscheidung treffe, die Note 1,64.

Ganz anders sieht es jene Hälfte der Befragten, die sich selber als Stammwähler ("wähle fast immer dieselbe Partei") einstuft. Da kommt nur die Note 2,61 für das Bild des überlegten Wechselwählers heraus.

Stammwähler nennen Parteiwechsler unzuverlässig

"Wechselwählern schlägt Misstrauen entgegen", sagt Pfarrhofer, das sehe man etwa daran, dass erklärte Stammwähler den Wechselwählern die Note 2,88 geben, wenn diese als "unverlässlich" bezeichnet werden, weil sie oft ihre Meinung ändern. Wechselwähler selber sehen sich nicht als unverlässlich. In diesem Punkt geben sie ihresgleichen nur die Note 4,20.

In ihrem Selbstbild bezeichnen sich Wechselwähler auch deutlich öfter als "besser gebildet als andere" (und tatsächlich fällt bei bekennenden Wechselwählern ein höheres Bildungsniveau auf) – Stammwähler trauen das ihren wechselfreudigen Mitbürgern allerdings nicht zu.g

Unzufriedenheit als Wahlmotiv

Wie die Grafik zeigt, ist das am stärksten genannte Argument, warum jemand eine andere Partei als bisher wählt, dass der oder die Betreffende seine oder ihre Unzufriedenheit mit der Politik ausdrücken wolle. In dieser Einschätzung stimmen übrigens erklärte Wechselwähler mit erklärten Stammwählern ausnahmsweise überein. (Conrad Seidl, 20.8.2017)