Das Grabungsteam ist am "schaffen", wie man in Rheinland-Pfalz zu sagen pflegt.

Foto: Petra Schneidhofer

Katrin Heyken beim Freiputzen der Keramik, mit der ein Großteil der Bediengrube verfüllt ist.

Foto: Petra Schneidhofer

Ich dokumentiere einen Teil der Bediengrube für die dreidimensionale Dokumentation mittels IBM. Die schwarzweißen "Targets" dienen der Georeferenzierung des späteren 3D-Modells.

Foto: Petra Schneidhofer

Profil durch die mit Keramik verfüllte Bediengrube.

Foto: Petra Schneidhofer

Um die geophysikalischen Daten zu evaluieren, messe ich die magnetische Suszeptibilität unter anderem an der Oberfläche des Ofens.

Foto: Petra Schneidhofer

Nachbau eines Töpferofens aus dem 5. Jahrhundert, gefunden in der Gegend um Mayen in Rheinland-Pfalz. So ähnlich kann man sich auch unser Exemplar vorstellen.

Foto: Petra Schneidhofer

Meine Kollegen vom RGZM-VAT, mit denen ich drei sehr nette Wochen verbracht habe (von links): Benjamin Streubel, Katrin Heyken, Grabungsleiter Holger Schaaf und Angelika Hunold.

Foto: Petra Schneidhofer

In den Regenpausen wird die Keramik zum Trocknen ausgelegt und auch gleich grob datiert.

Foto: Petra Schneidhofer

Ende Juni mache ich mich, das Auto vollbepackt mit geoarchäologischem Equipment, auf den Weg nach Deutschland, in das westlich gelegene Bundesland Rheinland-Pfalz. In Rheinland-Pfalz befindet sich auch Deutschlands älteste Stadt, Trier. Gegründet 16 vor unserer Zeitrechnung als Augusta Treverorum, entwickelte sie sich zur Residenz mehrerer römischer Kaiser, darunter Konstantin der Große. Wenig überraschend sind auch die Gegenden um die Stadt Trier – archäologisch gesehen – stark von der Epoche der Römischen Kaiserzeit beeinflusst. Das gilt in besonderem Maße für mein eigentliches Ziel, den kleinen Ort Herforst, circa 30 Kilometer nordöstlich von Trier gelegen.

Herforst und vor allem der Nachbarort Speicher sind bekannt für ihre Keramikproduktion – eine Tradition, die bis in die Römische Kaiserzeit zurückreicht und in ihrem Produktionsumfang weit über die Herstellung für den Hausgebrauch hinausgegangen sein dürfte. Zahlreiche Keramikfunde und eine ganze Reihe an Öfen deuten auf ein weitläufiges Produktionsgebiet hin.

Industriell anmutende Keramikproduktion

Der Forschungsstand stützt sich bis dato hauptsächlich auf Fundmeldungen stark zerstörter Ofenüberreste auf landwirtschaftlich genutzten Feldern sowie auf besser erhaltene Produktionsstätten in den Wäldern. Nur an zwei Stellen fanden gezielte Ausgrabungen (1950 und 1977) statt, von denen allerdings bislang nur knappe Vorberichte existieren. Wie groß das Gebiet dieser fast schon industriell anmutenden Keramikproduktion tatsächlich war und von wie vielen Produktionseinheiten man ausgehen muss, ist nach wie vor ungeklärt. Das liegt vor allem daran, dass ein so großes Gebiet mit traditionellen archäologischen Methoden unmöglich umfassend untersucht werden kann.

Vor etwas mehr als einem halben Jahr, im Dezember 2016, hat das Ludwig-Boltzmann-Institut für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie (LBI Arch Pro) darum in Zusammenarbeit mit dem Römisch-Germanischen Zentralmuseum Mainz (RGZM) und der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (GDKE) in der Gegend um Herforst circa 20 Hektar an Testmessungen mittels Geomagnetik und Bodenradar durchgeführt. Ziel war es herauszufinden, ob durch großflächig-hochauflösende Prospektionsmethoden die Standorte einzelner Produktionseinheiten fassbar sind und wie detailreich diese Strukturen interpretiert werden können, ohne dafür in den Boden eingreifen zu müssen.

Magnetische Anomalien

Die geophysikalischen Messungen lieferten vielversprechende Ergebnisse. Vor allem die Daten der Geomagnetik zeigten eine Anzahl an stark magnetischen Anomalien – ein deutlicher Hinweis auf Öfen –, mittels derer die vermuteten Keramikproduktionsstätten sehr genau verortet werden konnten. Die dreidimensionalen Bodenradardaten wiederum brachten wertvolle Hinweise auf Struktur und Erhaltungszustand der Fundstellen.

Ohne einen einzigen Spatenstich konnten wir also bereits auf eine nicht unerhebliche Menge an Informationen zurückgreifen, die für die Interpretation eines solchen Produktionsplatzes essenziell sind. Der zerstörungsfreie Charakter der eingesetzten Methoden setzt aber auch Grenzen: Datierungen, die meist auf mit den fraglichen archäologischen Strukturen assoziierten Funden basieren, sind so nicht möglich. Auch die Form der Öfen – in den Bodenradardaten gut sichtbar –, die funktional geprägt ist und sich im Laufe der Jahrhunderte wenig verändert hat, kann hier nicht helfen. Die Antwort sind daher gezielte, auf den Prospektionsdaten basierende Ausgrabungen, die die Beantwortung einer Reihe von spezifischen Forschungsfragen, wie eben die Datierung, zum Ziel haben.

Ausgrabung, um mehr zu erfahren

Um eine solche Ausgrabung zusammen mit Kollegen vom RGZM durchzuführen, fahre ich also Ende Juni nach Herforst. Holger Schaaff, Leiter des Kompetenzbereichs Vulkanologie, Archäologie und Technikgeschichte (VAT) des RGZM, hat zusammen mit unseren Spezialisten vom LBI Arch Pro eine der mittels Geophysik entdeckten Produktionsstätten ausgesucht, die insgesamt drei Öfen und mögliche Gebäudestrukturen umfasst und die wir auf einer Fläche von 80 Quadratmetern öffnen und untersuchen werden.

Neben der Datierung der archäologischen Strukturen ist ein weiteres Ziel, die Interpretation der geophysikalischen Daten zu evaluieren. Wie schon des Öfteren in diesem Blog berichtet, hängt der Erfolg von großflächig-hochauflösenden Prospektionen auch von der Kenntnis und dem Einbeziehen lokaler natürlicher Faktoren – zum Beispiel Boden- und Sedimenttypen – sowie dem Kontrast zwischen archäologischen Strukturen und umgebenden Material ab.

Meine Aufgabe

Meine Aufgabe besteht daher darin, Fragen wie "Wurden die Öfen in den geophysikalischen Daten korrekt verortet?", "Wie detailliert waren die Strukturen darin zu sehen und warum?", "Wie steht es um die physikalischen Eigenschaften des Bodens und der anstehenden Geologie, und wie beeinflussen diese die Prospektionsergebnisse" zu untersuchen.

Dazu entnehme ich unter anderem Proben aus dem Ofeninneren, die später auf ihre magnetische Suszeptibilität (MS), also ihre Magnetisierbarkeit hin überprüft werden sollen. MS stellt eine relativ leicht zu messende magnetische Eigenschaft dar und bildet zusammen mit der remanenten Magnetisierung die Grundlage für die Anomalien, die wir in den Magnetikdaten sehen. Um die Evaluierung der geophysikalischen Daten zu erleichtern, wird die gesamte Ausgrabung von mir mittels Image-Based Modeling (IBM) dreidimensional dokumentiert. IBM erlaubt das Generieren einer Punktwolke durch Photogrammetrie. Benötigt werden dazu lediglich eine Kamera, die entsprechende Software und ein einigermaßen leistungsstarker Computer.

Quartier in Scharfbillig

Nach elf Stunden, zahlreichen Staus und Umleitungen erreiche ich mein Quartier, einen Bauernhof im kleinen Dörfchen Scharfbillig. Ja, das heißt zu meiner Belustigung tatsächlich so. Meine Kollegen nehmen mich in Empfang und erzählen, dass der Oberboden im Untersuchungsbereich schon abgebaggert wurde. Als ich am nächsten Morgen die Ausgrabung selbst zum ersten Mal sehe, stelle ich erfreut fest, dass sich bereits in diesem Stadium alle drei Öfen, ein etwas kleinerer und zwei größere Exemplare, deutlich abzeichnen – genau an der Stelle, die die geophysikalische Interpretation vorhergesagt hat.

In den nächsten drei Wochen arbeiten wir bei wechselhaftem Wetter konzentriert daran, den kleinsten der Öfen auszugraben. Unterbrochen werden wir lediglich von Gewitterstürmen und dem Flugbetrieb der in Sichtweite liegenden US-Airbase Spangdahlem. An die F16-Jets, die mehrmals täglich in Gruppen aufsteigen, gewöhne ich mich schnell; dass die großen Awacs-Aufklärer stundenlang das Durchstarten üben, kommt eher überraschend.

Lust auf mehr

Die Zeit auf Grabung vergeht schnell, und die Ergebnisse werden unseren Erwartungen gerecht. Durch Keramik in der Bediengrube, die dem Ofen vorgelagert ist und von der aus er befeuert wurde, können wir den Ofen in das frühe zweite Jahrhundert datieren. Der Ofen selbst scheint aufgegeben worden zu sein, nachdem die Tenne, also der Boden des Brennraums, in den Feuerungsraum hinabgestürzt war. Überraschend für uns ist, dass die Anlage offenbar bewusst mit großen Steinen verschlossen wurde sowie das Fehlen von Holzkohle im Feuerungsraum.

In den nächsten Monaten werden meine Kollegen vom RGZM den archäologischen Befund und die geborgene Keramik genauer untersuchen; ich werde den Ofen dreidimensional rekonstruieren und die Interpretation der geophysikalischen Daten mittels der gesammelten Informationen weiter evaluieren. Bereits jetzt zeichnet sich aber ab: Die Ergebnisse aus Herforst motivieren und machen Lust auf mehr. (Petra Schneidhofer, 27.7.2017)