Drei Wochen Bedenkzeit wären dem polnischen Präsidenten zugestanden, um zu einer Entscheidung zu finden. Doch dann fasste Andrzej Duda, erstens, einen sehr raschen Beschluss, und, zweitens, einen wider Erwarten: Er legte ein Veto gegen zwei von drei Gesetzen im Rahmen der umstrittenen Justizreform der Regierung ein. Nachdem Duda am Montag führende Richter des Landes zum Gespräch empfangen und deren Bedenken gegen das Vorhaben gehört hatte, verkündete er die kleine Sensation. Er werde zwei Punkte nicht unterschreiben, da sie seiner Auffassung nach überarbeitet gehören. Darüber kann die Regierung sich im Parlament nicht hinwegsetzen, da sie dort nicht über die dafür nötige Mehrheit verfügt.

Diese Entscheidung ist ein Knüller: Duda kippte in Teilen ein Projekt der regierenden PiS-Partei, der er selbst entstammt. Mehr noch: Duda gilt als politischer Ziehsohn von Jarosław Kaczyński, dem Gründer und Vorsitzenden der Prawo i Sprawiedliwość (Recht und Gerechtigkeit). Kaczyński bleibt Dreh- und Angelpunkt seiner Partei, obwohl der heute 68-Jährige kein Regierungsamt mehr innehat. Er schickte an seiner statt neue Kräfte ins Rennen, die der Partei ein modernes Image verpassen sollten: das von Duda etwa – einem Hinterbänkler, der zum Präsidenten aufstieg, da er Kaczyński stets loyal ergeben war. Bis jetzt zumindest.

Als "Marionette" verspottet

Denn mit seinem zweifachen Veto ist es nun ausgerechnet der als "Kaczyńskis Kugelschreiber" und "Marionette" verspottete Duda, der der Partei einen Strich durch die Rechnung macht: Das Oberste Gericht und der Landesjustizrat bleiben vorerst unabhängig. Bedenken hatte Duda bereits geäußert. Duda verhinderte diesen dreisten Angriff auf die Gewaltenteilung nach den Protesten in ganz Polen, den Drohungen der EU, den Warnungen sämtlicher Experten und schließlich der überraschenden Kritik aus dem Weißen Haus, das sich in demokratiepolitischen Fragen momentan nicht gerade übermotiviert verhält.

Ihm allzu viel Mut zu attestieren geht dennoch zu weit. Immerhin ist es nichts anderes als seine originäre Aufgabe, auf die Einhaltung der Verfassung zu achten. Gegen sie hätten Teile der Reform allerdings laut Einschätzung vieler verstoßen. Zu sehr hätte die Einflussnahme der Regierung auf die Justiz jede demokratiepolitisch akzeptable Grenze überschritten. Darüber dürfte sich der Jurist Duda im Klaren gewesen sein.

Das kürt ihn allerdings noch nicht zum Hüter der Demokratie: In so manch anderem heiklen Gesetz hat das Staatsoberhaupt schließlich kein Problem gesehen. Und auch das dritte Reformvorhaben, das die allgemeinen Gerichte betrifft, trug Duda mit seiner Unterschrift am Montag mit.

Seit ihrem Wahlsieg 2015 krempelt die PiS das Land mit atemberaubender Skrupellosigkeit um. Bis heute der Vorwand für die meisten ihrer Maßnahmen: Sie seien nun einmal notwendig, um mit den Kommunisten von damals sowie mit ihren angeblichen Nachfolgern von heute abschließen zu können. Kaczyński nannte das einmal "Polen reparieren". Die Maßnahmen der PiS sind oft haarsträubend, nicht immer verletzen sie aber demokratische Standards im engen institutionellen Sinn. Die aktuelle Justizreform aber ist mehr als nur problematisch. Wenn Duda ein Korrektiv sein soll, dann war sein Teil-Veto nur der erste Schritt in diese Richtung. (Anna Giulia Fink, 25.7.2017)