Dass Israel nach dem Terrorangriff am Freitag vor einer Woche auf dem Tempelberg Sicherheitsmaßnahmen ergriffen hat, ist unvermeidlich und erscheint logisch: Aber in einer anderen, diesem ewigen Konflikt eben ganz eigenen Logik hatten sogar die israelischen Sicherheitsdienste Bedenken gegen die dauerhafte Installierung von Metalldetektoren angemeldet. Sie sollten Gewalt verhindern – und schaffen doch wieder nur neue.

Dabei geht es nicht nur um eine mögliche neue lokale Intifada und um Terror in Israel und den Palästinensergebieten. Die Krise um den Tempelberg beziehungsweise den heiligen Bezirk der Muslime hat das Potenzial, zu einem neuen, starken Rekrutierungsargument von religiösen und politischen Extremisten zu werden. Es wird nicht schwer sein, viele Muslime davon zu überzeugen, dass es eine Verbindung zwischen den aktuellen israelischen Maßnahmen und der radikalen Bewegung gibt, die die Öffnung des Tempelbergs für Juden verlangt. Da kann der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu noch so sehr beteuern, dass der Status quo auf dem Tempelberg – die Arrangements zwischen Israel und Jordanien, Schutzmacht der islamischen Stätten – nicht angetastet wird.

Auf dem Tempelberg bekommt der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern eine religiöse Dimension – zuungunsten möglicher rationaler Lösungen. Die Frage nach der politischen Zukunft der Palästinenser mag in den arabischen Hauptstädten trotz aller Lippenbekenntnisse keine Priorität mehr haben: Wenn es jedoch um Jerusalem geht, wird sich keiner der Staatschefs entziehen und lavieren können. Durch die Bank leiden sie alle an Legitimationsmangel bei ihren Bevölkerungen und fürchten diese dementsprechend.

Es war auffällig und vielsagend, wie diskret viele arabische Medien am Wochenende die Unruhen in Jerusalem behandelten. Das reflektiert nicht etwa Gleichgültigkeit dem Thema gegenüber, sondern im Gegenteil das Bewusstsein derer, die die Medien kontrollieren, dafür, wie explosiv das Thema ist.

Für Israel kommt die Eskalation zu einem Zeitpunkt, an dem es die Erfolge jahrelanger stiller Diplomatie in einem chaotischen Nahen Osten einzufahren begann. Für immer mehr arabische Staaten wäre es kein Problem, offen mit Israel zusammenzuarbeiten: Es verbindet sie das gemeinsame Interesse, den iranischen Einfluss einzudämmen. Der Iran hat in den vergangenen Jahren teilweise erfolgreich versucht, das Thema Palästinenser zu monopolisieren. Teheran wird nicht verabsäumen, darauf zu verweisen, dass die arabischen Regime nicht nur die Palästinenser im Stich lassen, sondern dass ihnen auch die drittheiligste Stadt des Islam, Jerusalem, egal ist.

Auch die Palästinenserbehörde unter Präsident Mahmud Abbas wird von vielen Palästinensern nicht etwa als Verteidiger palästinensischer Rechte wahrgenommen, sondern als israelischer Kollaborateur. Abbas versucht verzweifelt dagegen anzukämpfen: Die Unklarheit, ob der von ihm verkündete Abbruch der Beziehungen zu Israel auch die palästinensisch-israelische Sicherheitszusammenarbeit einschließt, wird jedoch zu seinen Ungunsten ausgelegt. Was der völlige Zusammenbruch für beide Seiten bedeuten könnte, mag man sich gar nicht vorstellen. Neuer Krieg, Terror und Chaos in einer Region, die wahrlich bereits mehr als genug davon hat. (Gudrun Harrer, 23.7.2017)