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Wien – Die FPÖ will im Fall einer Regierungsbeteiligung neben dem Ausbau der direkten Demokratie den Rechnungshof stärker in die Gesetzwerdung einbinden. Der Rechnungshof soll künftig auf Basis seiner Prüfberichte und Empfehlungen Gesetzesvorschläge entwickeln, die dann als Vorlagen im Parlament behandelt werden, erklärte der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer (FPÖ) im APA-Sommerinterview.

"Derzeit ist es parlamentarische Praxis, dass vor allem Vorlagen der Regierung beschlossen werden. Dazu kommen Initiativanträge von den Parlamentsparteien. Der Rechnungshof zeigt im Moment viele Schwächen und Verbesserungsvorschläge auf. Dann wird applaudiert, und es passiert wenig. Wenn auch der Rechnungshof Gesetzesvorschläge erarbeitet, dann ändert sich vieles. Das wäre ein echter Systembruch", so Hofer.

Eine solche Systemänderung würde etliche Milliarden an Einsparungen bringen und könnte Spielraum für eine "echte Steuerreform" bringen, ist der FPÖ-Politiker überzeugt. Der Rechnungshof soll dazu mit mehr personellen Ressourcen – "Legisten und Volkswirtschafter" – ausgestattet werden. Wichtigster Punkt für den Fall einer Koalitionsbeteiligung ist für Hofer "das Stärken der direktdemokratischen Instrumente nach dem Vorbild der Schweiz". Geht es nach den Blauen, sollen die Österreicher künftig öfter zu Volksabstimmungen gerufen werden.

Volksabstimmung über Verwaltungsreform

Hofer begrüßt denn auch den jüngsten Vorschlag von Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern für eine Volksabstimmung über eine Verwaltungsreform. "Ich bin absolut dafür, dass man hier die Menschen einbindet. Wir brauchen bei diesen wesentlichen Fragen einen breiten Schulterschluss. Den soll es auch mit denen geben, die betroffen sind, und das sind die Bürger." Hofer kann sich solche Abstimmungen auch zur Frage der "Zwangsmitgliedschaft bei den Kammern oder den Zwangsgebühren im ORF" vorstellen.

Eine wichtige Rolle werde im Wahlkampf die Zuwanderungs- und Integrationspolitik spielen. Im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise in Italien sprach sich der Dritte Nationalratspräsident für stärkere Kontrollen im Mittelmeer und sichere Zonen in Afrika aus. "Österreich muss vorbereitet sein, als Notfallmaßnahmen auch die Brenner-Grenze zu kontrollieren. Ich finde, was Verteidigungsminister (Hans Peter) Doskozil gemacht hat, richtig. Dass er von Kanzler Kern zurückbeordert wurde, war ein grober Fehler und fahrlässig", so Hofer.

"Transferleistungen wie Mindestsicherung oder Kindergeld sollen erst zur Verfügung stehen, wenn man einige Jahre in Österreich aufhältig gewesen ist." Für Kindergärten und Schulen fordert Hofer eine "Deutschpflicht" und eigene "Deutschklassen". Und es brauche Maßnahmen gegen den politischen Islam.

Das FPÖ-Wirtschaftsprogramm, das Ende August präsentiert wird, enthält laut Hofer "Maßnahmen, die es ermöglichen, die Steuer- und Abgabenquote in Österreich deutlich zu senken". Dazu kämen Anreize für Betriebe und Betriebsgründungen. Der FPÖ-Politiker bewertet das Potenzial an Entlastungen mit "acht bis zehn Milliarden Euro, die man mittelfristig heben kann". Daneben müsse man "auch bei den Subventionen ansetzen. Wir geben 18 Milliarden pro Jahr aus. Wir brauchen eine echte Transparenzdatenbank", so Hofer. Reformen brauche es auch im Gesundheitswesen. Allein durch Effizienzsteigerungen im Spitalsbereich könnten 4,7 Milliarden frei geschaufelt werden. "Mit einem Teil davon könnte man die Mittel für die Langzeitpflege erhöhen, mit einem anderen Teil das Gesundheitssystem so organisieren, dass die Ärzte in Österreich bleiben."

SPÖ-FPÖ-Koalition nicht vom Tisch

Den FPÖ-Wahlkampf wird Norbert Hofer gemeinsam mit Parteichef Heinz-Christian Strache absolvieren. "Wir starten im September und machen beide eine Österreich-Tour. Strache ist die klare Nummer Eins, ich unterstütze ihn nach besten Kräften. So bringen wir die doppelte Stärke zusammen."

Hofer soll hinter Strache auf Platz Zwei der FPÖ-Bundesliste antreten. "Die Listenpräsentation nimmt Heinz-Christian Strache vor, aber man kann davon ausgehen, dass es so sein wird."

Auf Fragen, ob SPÖ-Chef Christian Kern oder ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz der Hauptgegner der Freiheitlichen sein wird, wollte sich Hofer gar nicht erst einlassen. "Der Hauptgegner der FPÖ muss die morbide Regierungsarbeit der letzten Jahre sein. Ich halte aber ohnehin wenig davon, sich zu sehr auf die Schwächen anderer Parteien und Kandidaten zu konzentrieren. Eine Partei, die antritt, um Regierungsverantwortung zu übernehmen, muss darstellen, wofür sie steht und was sie vor hat. Man sollte Politiker nicht daran messen, was sie ankündigen oder wen sie angreifen, sondern danach bewerten, welche Früchte ihre Arbeit abwirft. Die Regierung ist ein Baum, den der Frost erwischt hat und der nichts trägt."

Die jüngsten Irritationen zwischen Rot und Blau wegen einer SPÖ-nahen Anti-FPÖ-Plattform sowie der Kritik an antisemitischen Codes in der FPÖ – der freiheitliche Abgeordnete Johannes Hübner soll bei einer rechtsextremen Veranstaltung entsprechende Anspielungen gemacht haben – will Hofer nicht überbewerten. Eine mögliche SPÖ-FPÖ-Koalition, die sowohl von Teilen der SPÖ als auch der Freiheitlichen forciert wird, sieht Hofer dadurch nicht vom Tisch. "Ich sehe das sehr entspannt. Letztendlich wird sich nach der Wahl vieles anders präsentieren. Ich gehe davon aus, dass einer der beiden Spitzenkandidaten, Kurz oder Kern, nach der Wahl nicht mehr im Amt sein wird", sagte Hofer. Allerdings sende die SPÖ derzeit unterschiedliche Signale aus. "Einerseits gibt man sich einen Kriterienkatalog, um gewisse Probleme zu neutralisieren, andererseits hat man nicht den Mut, den Parteitagsbeschluss gegen eine Koalition mit der FPÖ zu ändern, und dann geht auch noch die Frau des Kanzlers in ein Komitee gegen die FPÖ. Das ist einigermaßen schräg."

Distanz zu antisemitischen Codes

Auf Distanz geht Hofer zu etwaigen antisemitischen Codes in der FPÖ. "Dafür darf es in der Politik in Österreich generell keinen Platz geben. Wir haben eine besondere Geschichte, aus der erwächst eine besondere Verantwortung. Wer mich kennt, weiß, dass ich beim Thema Antisemitismus keinen Spaß verstehe und sehr sensibel bin. Deshalb schaue ich mir das sehr genau an und bin da sehr hellhörig." Man habe ihm aber berichtet, dass Hübner die Vorwürfe bestreitet. "Ich gehe davon aus, dass das den Tatsachen entspricht." Die "größte Gefahr für das Wiederaufflammen von Judenhass in Österreich" sieht Hofer ohnehin vielmehr durch "Zuwanderung aus Ländern, in denen Antisemitismus auch in Taten gelebt wird".

Ob Hofer bei einer Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen weiter im Nationalratspräsidium bleibt oder in ein Ministeramt wechselt, lässt der FPÖ Politiker offen. "Das wird sehr davon abhängen, wie die Regierungsverhandlungen laufen und in welchen Bereichen Expertise gefragt ist. Ich bin sicher ein Breitbandpolitiker. Ich war bisher in den Bereichen Energiepolitik, Umweltpolitik, Infrastruktur, Soziales und internationale Kontakte tätig. Wenn es etwas ist, wo ich tatsächlich mithelfen kann, mache ich das sehr gerne, aber ich bin auch unheimlich gerne im Präsidium des Nationalrats. Man kann sich in der Politik aber oft nicht aussuchen, wo man zum Einsatz kommt, das habe ich im letzten Jahr gelernt", meinte Hofer in Anspielung auf seine zunächst nicht angestrebte Präsidentschaftskandidatur für die Freiheitlichen.

Die etwas ruhigere Sommerzeit nutzt Hofer für seine Flugausbildung. "Im Moment konzentriere ich mich ganz auf meinen Pilotenschein. Ich hatte vor 13 Jahren meinen schweren Unfall mit dem Paragleiter. Es ist der Abschluss dieses Komplexes, jetzt am Steuer eines Flugzeuges zu sitzen und wieder meiner Leidenschaft nachzugehen, die mir viel Leiden verschafft hat. Ich habe vor drei Wochen begonnen und hatte vor einigen Tagen meinen ersten Alleinflug. Ab Herbst werde ich Termine, die man mit dem Flugzeug erledigen kann, selbst erledigen." (APA, 23.7.2017)