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Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hat Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) ermahnt, es im Streit mit Italien in der Flüchtlingspolitik nicht zu weit zu treiben: "So geht es einfach nicht. Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht gegen Italien positionieren", sagte Kern der "Presse am Sonntag", nachdem er am Samstagfrüh mit dem italienischen Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni telefoniert hatte.

Kurz hatte gefordert, Italien solle Flüchtlinge nicht mehr von Lampedusa aufs Festland bringen.

"Mehr Sensiblität"

Gentiloni formulierte in dem Telefonat mit Kern sein Befremden über die jüngste Forderung von Kurz. Kern forderte daraufhin "mehr Sensibilität mit Italien" – unter anderem mit Blick auf die Schutzmachtfunktion Österreichs für Südtirol.

Mit Blick auf den Flüchtlingsstrom über die Balkan-Route vor zwei Jahren sagte der Kanzler: "Stellen wir uns einfach vor, wie es 2015 gewesen wäre, wenn unsere Nachbarstaaten sich in einer ganz ähnlichen Situation gegen uns gestellt hätten. Diese Art von Problemstellung lässt sich nur gemeinsam lösen." Und weiter: "In einer Situation, in der unser Nachbarland die Unterstützung Europas braucht, sich gegen Italien zu stellen, stößt natürlich auf Enttäuschung."

Außenpolitik im Wahlkampf

Kern sprach sich dafür aus, das Thema künftig aus der Öffentlichkeit und dem Wahlkampf in Österreich herauszuhalten: "Die Außenpolitik Österreichs muss seriös hinter verschlossenen Türen und durch Diplomatie geführt werden – und nicht im Wahlkampf." Zugleich verurteilte Kern überzogene Kritik: Kurz mit einem "Neonazi" in Verbindung zu bringen, wie das der Bürgermeister der Insel Lampedusa, Salvatore Martello, getan hat, sei völlig inakzeptabel, sagte der SPÖ-Chef der "Presse am Sonntag".

Im Allgemeinen zum außenpolitischen Kurs Österreichs mahnte Kern: "Wir müssen sehr aufpassen, dass wir uns außenpolitisch nicht in einer Gruppe mit Viktor Orban und der Lega Nord wiederfinden." Das habe auch etwas mit Erfahrung zu tun. "Man kann sich nicht immer gegen alle stellen. Da bleibt man allein übrig. Und nur, um einen guten Wahlkampf zu führen, das Ansehen Österreichs zu gefährden, ist ein viel zu hoher Preis."

Kern erteilte zudem Drohungen, die Brenner-Grenze zu schließen, eine Absage. "Hier wird ein Notstand inszeniert, den es so nicht gibt. Über die Balkanroute kommen selbst heute noch mehr Asylwerber als über den Brenner. Natürlich müssen wir uns auf alle Szenarien vorbereiten. Aber in aller Ruhe und möglichst diskret. Von einer Schließung der Brennergrenze wäre schließlich Südtirol hauptbetroffen, meinte der Kanzler."

"Wenn er Migranten ins Meer werfen will"

Kurz' Vorstoß sorgt indes in Italien weiterhin für Empörung. Der italienische Vize-Außenminister Benedetto Della Vedova hat Kurz und den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban auf seiner Facebook-Seite als "neue Helden der nationalistischen Rechten in Italien" bezeichnet. "Wenn sie die Migranten ins Meer werfen wollen, sollen sie es offen sagen", erklärte Della Vedova auf seiner Facebook-Seite.

"Orban und Kurz wissen kaum was von Meer und Häfen, doch sie erteilen Lehren, wen man retten soll und wen nicht, als wären internationales Recht und Konventionen zur Flüchtlingsrettung eine Sache, wo man wählen könnte", so Della Vedova.

"Kurz hat vorgeschlagen, Flüchtlinge auf Lampedusa zu bringen und sie dort zu belassen. Das ist eine riesige politische Absurdität, die auch populistisch und grausam ist. Kurz beschreitet Orbans autoritären Weg. Er vertritt ein Europa, das sich verschließt, ein reaktionäres Europa des Vaterlandes gegen das Europa der Integration", schrieb der Vize-Außenminister.

Schulz fordert Entlastung Italiens

Wenige Tage vor politischen Gesprächen in Italien hat der Kanzlerkandidat der deutschen Sozialdemokraten, Martin Schulz, Entlastungen für das Land in der Flüchtlingskrise gefordert. Andere EU-Staaten müssten erklären, wie viele Flüchtlinge sie aus Italien aufnehmen könnten, sagte Schulz in einem am Samstag im Voraus verbreiteten Interview des Deutschlandfunks.

Für die Flüchtlingsaufnahme sollten sie Geld aus dem Budget der Europäischen Union bekommen. Er wolle im Verlauf der kommenden Woche nach Italien reisen und Gespräche darüber führen, wie eine "Koalition der Willigen" geschmiedet werden könne. "Die Italiener werden auf Dauer nicht alle Flüchtlinge alleine nehmen", sagte Schulz.

In Italien sind allein heuer schon über 93.000 Flüchtlinge angekommen, die über das Mittelmeer per Boot kommen. Hilfen für Italien wären nach den Worten von Schulz auch im Interesse Deutschlands, um eine Wiederholung des Flüchtlingszustroms wie im Jahr 2015 zu verhindern. Wenn Italien aus Überlastung sage, "dann lass sie ziehen", könne man "relativ schnell ausrechnen, wohin sie kommen." Österreich könne dann "den Brenner mit Panzern dichtmachen. Diese Leute werden Wege finden, um dann wieder in Deutschland anzukommen."

Im Fall seiner Wahl zum deutschen Bundeskanzler will Schulz Italien stärker in die deutsch-französische Partnerschaft einbeziehen. Frankreich und Deutschland müssten Italien mitnehmen, das wie sie als G-7-Staat zu den größten Volkswirtschaften gehöre. (APA, 22.7.2017)