Die Architektin Katharina Kerscher lebt in einem Loft in Lustenau. Wo sie wohnt, standen fast ein Jahrhundert lang Stickmaschinen. Sie genießt das Wohnen mit Geschichte und einen riesigen Gemeinschaftsgarten.

"Es klingt vielleicht ein bisserl ungewöhnlich, aber ich bin wegen der Wohnung nach Lustenau gezogen. Nicht wegen der Arbeit oder wegen der Liebe. Ich wollte irgendwo im Bodenseeraum leben, hab mich im Internet umgeschaut und die Wohnung in der Teilenstraße gefunden. Mir war sofort klar: Dort will ich hin. So bin ich von Konstanz nach Lustenau gezogen. Lustenau ist gar nicht so schlecht. O. k., Großstadt ist das keine, aber die vermisse ich auch nicht. Ich bin ja auf dem Land aufgewachsen, in Wald, einem kleinen Dorf in Bayern.

Katharina Kerscher blickt durch das raumhohe Kastenfenster hinaus in den Gemeinschaftsgarten. Ihr Loft ist eines von sechs in einer früheren Stickereihalle in Lustenau.
Foto: Christian Grass

Als ich vor eineinhalb Jahren eingezogen bin, hab ich natürlich den Architekten gegoogelt. Von den Nachbarn, zufälligerweise sind drei von sechs Architektinnen und Architekten, hab ich dann erfahren, dass die Planer der Wohnungen, Hugo Dworzak und Stephan Grabher, eine Mitarbeiterin suchen. Ich hab mich beworben, und als sie gehört haben, dass ich in der Teilenstraße wohne, war das Interesse an mir geweckt.

Was mich an dieser Wohnung so beeindruckt, ist das Raumgefühl. Es ist ganz anders als in einer Standardwohnung, weil der Raum fast sechs Meter hoch ist. Alles ist offen und hell. Durch die Galerie hat man zwei Stockwerke. Eigentlich fühle ich mich wie in einem Reihenhaus, mit Terrasse und Garten. Ich hab bisher immer in Wohngemeinschaften gewohnt. Wenn es so heiß ist wie diesen Sommer, komme ich mir vor wie in alten WG-Zeiten. Es stehen alle Türen und Fenster offen, jeder ist zwar in seinem Loft, hört aber die anderen. Wie in der WG, wenn die Zimmertür offen ist – man hat seinen eigenen Bereich, ist aber nicht allein.

Früher war hier eine Stickerei. Ich komme ja nicht aus der Gegend, die Geschichte der Stickereiindustrie war mir also vollkommen neu. Man spürt hier die Geschichte. Allein schon durch die Kastenfenster. Die zu erhalten, war gar nicht so einfach, weil sie nicht mehr heutigen Standards entsprechen. Aber der Bürgermeister hat das schließlich doch genehmigt, weil der Gesamtenergiebedarf der Wohnung eingehalten wird. So ging der Charakter des Hauses nicht verloren. Seit ich hier wohne, fällt mir natürlich jedes alte Stickereigebäude in Lustenau auf. Da wäre noch viel Potenzial zur Nachnutzung. Leider hat das Projekt noch keine Nachahmer gefunden.

Ich bin generell gegen das Wegschmeißen guter Sachen. Das sieht man auch an meiner Einrichtung, die ist zusammengeklaubt. Der Aktenschrank stammt noch aus der Stickerei, einen kleinen Schrank aus den 1950er-Jahren hab ich vor dem Sperrmüll gerettet. Das Ledersofa ist ein Designklassiker aus den 1970ern, vom Trödler. Manchmal schau ich bei meiner Oma vorbei und frag, ob sie was an mich loswerden will. Ich mixe Altes und Neues. Mein Vater, der ein wunderbarer Tischler ist, hat mir einige Einbauten gemacht. Zum Beispiel das rollbare Küchenmodul als Erweiterung der Arbeitsfläche.

Durch das Kastenfenster, in dem eine Tür ist, klettert man über eine verschiebbare Holzstufe und die Ablage unter dem Fenster hinaus in den riesigen Gemeinschaftsgarten. Der Garten ist für mich sehr wichtig. Ich kann ins Freie, ohne mit dem Rad oder Auto irgendwo hinfahren zu müssen. Ich nehme meinen Kaffee und setze mich raus auf meine Terrasse oder zehn Meter weiter unter einen Baum, das ist purer Luxus.

Wenn ich hier wegziehe, das Loft ist ja eher eine Lebensabschnittswohnung, möchte ich wieder ein bisschen außergewöhnlich wohnen. Und irgendwann baue ich mir selbst was oder richte was her. Ein Bauernhaus mit einem riesigen Garten, das wäre mein Traum." (Jutta Berger, 24.7.2017)