Der Oberösterreicher Christian Schug steht seit 2015 an der Spitze von Lidl Österreich. Im Handel landete der Germanist zufällig, nun treibt er die Expansion des deutschen Diskonters voran.

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Wien – Rewe startete in Österreich jüngst ihr erstes Logistiklager, das allein dem Onlinehandel gewidmet ist. Spar übt sich seit dem Vorjahr im Internetverkauf von Lebensmitteln. Auch kleinere Filialisten wie Unimarkt reihen sich mit ihren Webshops unter die Pioniere. Große Diskonter hingegen sehen sich das Gerangel um die vorderen Plätze im Internet scheinbar unbeteiligt an. Doch der Eindruck des Däumchendrehens täuscht.

"Wir schauen hier sicher nicht aus der Ferne zu", sagt Christian Schug, Chef von Lidl Österreich dem STANDARD. International würden Konzepte getestet; in Belgien, den Niederlanden und Deutschland betreibe Lidl erste Onlineshops. In Österreich werde der Konzern den Internetverkauf aber erst ausrollen, wenn der Markt eine entsprechende Relevanz erreicht habe. Und das sei bisher nicht der Fall.

Schug bezweifelt auch, dass Lebensmittelhändler innerhalb von zehn Jahren in der Lage seien, digitale Geschäfte angesichts der hohen Dichte an stationären Filialen wirtschaftlich zu führen. Vor allem außerhalb Wiens mache eine flächendeckende Belieferung mit Lebensmitteln wenig Sinn. Im Übrigen lege es Lidl nur selten darauf an, "der Erste zu sein. Wir analysieren Prozesse und Bewegungen auf dem Markt." Der Start erfolge erst, wenn es sich wirklich lohne.

Auf in die USA

19 Jahre ist es her, dass der deutsche Diskonter in Österreich einstieg. Rivale Hofer besetzte da bereits seit fast drei Jahrzehnten den Markt, das Duell Spar gegen Rewe erreichte erste Höhepunkte. Dass Lidl zu spät kam, um sich größere Reviere als die mittlerweile rund sechs Prozent Marktanteil zu holen, weist Schug jedoch zurück: Kaum ein anderes junges Unternehmen habe es geschafft, sich innerhalb kurzer Zeit weltweit zu einem der größten Anbieter seiner Branche aufzuschwingen, betont er. Die im Besitz der deutschen Familie Schwarz befindliche Lebensmittelkette spannte über 27 Länder ein Netz aus mehr als 10.000 Standorten. Im Juni stieß sie in die USA vor, wo sie nun Riesen wie Walmart zu Leibe rücken will. Für die Expansion verantwortlich ist Brendan Proctor, der zuvor die Geschäfte in Österreich vorantrieb. Der ewige Konkurrent Aldi blickt in den USA auf 40 Jahre Erfahrung zurück, allerdings ohne den Markt im Sturm erobert zu haben.

In Österreich hat sich Lidl seit 2012 verdoppelt. Rund 500 Millionen Euro flossen in die 220 Standorte. 4800 Mitarbeiter bauten den Umsatz im Vorjahr um zehn Prozent auf 1,2 Milliarden Euro aus. Neue Filialen wurden eröffnet, bestehende in Schuss gebracht.

Schug – der einst als Germanist nach brotlosen Jobs als Regieassistent quer in den Handel einstieg und sich bei Lidl in 15 Jahren vom Einkauf bis an die Spitze der Geschäftsleitung hinaufarbeitete – sieht Potenzial für hierzulande weitere acht bis zehn Märkte pro Jahr.

Das Problem dabei: Große Flächen in guten Lagen sind Mangelware. Vielerorts wurde die Raumordung verschärft, Neubauten auf der grünen Wiese sind zusehends illusorisch. Lidl weicht daher mit einem neuen Standortkonzept in Städten in die Höhe aus.

Kindergärten als Partner

Geparkt wird ebenerdig, eingekauft im ersten Stock, was gut die Hälfte der Grundstücksfläche erspart. Für obere Stockwerke sucht Lidl Partner, die etwa Studentenheime oder Ärztezentren entwickeln. Fix ist eine Kooperation mit einem Kindergarten. Der erste entsprechende Shop, nur ohne Oberbau, wird heute, Donnerstag in Wien eröffnet. Drei bis vier weitere sind in der Bundeshauptstadt bis 2020 geplant. Das neue Modell biete sich, meint Schug, auch für Städte wie Linz, Salzburg und Bregenz an.

Lidl listet 1600 Artikel, 30 Prozent davon sind österreichischen Ursprungs, 80 Prozent werden unter Eigenmarken verkauft. Regionale Sortimente verspricht der Lebensmittelhändler stärker auszubauen. Die Marke "Ein gutes Stück Heimat" soll bald ausschließlich Biolebensmittel abdecken.

Kein Verständnis hat Schug für die stete Kritik der Konsumentenschützer, wonach gleiche Produkte in Österreich teurer vertrieben werden als in Deutschland. "Allein die steuerliche Situation und die Gehälter sind hierzulande völlig anders." Die Lebensmittelqualität sei ebenso höher wie die logistische Herausforderung. (Verena Kainrath, 20.7.2017)