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Als Gedenken an Liu Xiaobo trugen sich Menschen in Hongkong am 19. Juni in eine Liste ein.

Foto: AP

Dass China nach dem Tod Liu Xiaobos die sozialen Medien streng überwacht, ist keine Überraschung. Erst am Dienstag wurde Whatsapp für einige Stunden abgeschalten, berichtet die "South China Morning Post". Nachrichten in sozialen Netzwerken werden grundsätzlich auf sensible Schlagworte gescannt und eventuell gelöscht.

Welche Anweisungen die Regierung genau gibt, ist jedoch unbekannt. Doch eine kanadische Forschungsplattform hat nun durch gezielte Experimente auf Sina Weibo und We Chat, den zwei größten chinesischen sozialen Medien, einige Maßnahmen der Schlagwortsuche nachgewiesen.

Das Citizen Lab an der Universität von Toronto analysierte in seiner Studie Text- und Bildinhalte, die in den Monaten vor und Tagen nach Lius Tod über die Plattformen versendet wurden. Dafür erstellte es eine Gruppe auf We Chat, in der zwei Mitglieder auf chinesische Rufnummern registriert waren und zwei weitere auf kanadische. Dabei konnte die Gruppe aufzeigen, wie die Zensur nach Lius Tod signifikant verstärkt wurde.

Unzulässige Schlagworte

We Chat, das in seinen Funktionen Whatsapp ähnelt, zählt täglich 768 Millionen User. Während vor Lius Tod bloß dessen Name in Kombination mit anderen potenziell sensiblen Begriffen zensiert wurde, reichte nach seinem Tod die bloße Nennung seines Namens aus, egal ob auf Englisch oder Chinesisch. Jede Kommunikation, die den Namen des Friedensnobelpreisträgers inkludierte, wurde somit unterbunden.

Im Experiment konnten Nachrichten mit dem Inhalt "Liu Xiaobo" weder von Kanada nach China noch von China nach Kanada gesendet werden.
Foto: Citizen Lab

Bilder mit explosiver Kraft

Die Studie konnte weiters zum ersten Mal zeigen, dass sensible Bilder auch in privaten Konversationen, also zwischen zwei Usern, unterbunden wurden. Bisher wurde dies bloß bei Gruppenchats bzw. der Funktion "We Chat Moments", ähnlich der Facebook-Timeline, nachgewiesen.

Technisch macht die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Chat-Modi eigentlich keinen Sinn. Dass es sie trotzdem gibt, führen die Autoren darauf zurück, dass die Zensur der Bilder im Privatchat als verstörender empfunden wird als in großen Gruppen. In großen Gruppen sind die Inhalte wiederum potenziell gefährlicher – bei We Chat kann eine Gruppe bis zu 500 Mitglieder haben.

Auch Bilder wurden gelöscht, ohne dass die Teilnehmer in China es mitbekommen hätten.
Foto: Citizen Lab

Zensur "intransparant" für den User

Angewandt wird die Zensur nur auf in China registrierte Konten. Die Zensur ist nicht transparent, der User bekommt also nicht mit, wenn ein Bild oder ein Text nicht ankommt. Eben weil die Zensur auf offensichtliche Inhalte angewendet wird, weichen Benutzer auf alternative Symbole aus, die für das Leben und Werk Lius stehen.

Es werden virtuell Kerzen "angezündet", um an ihn zu erinnern, oder ein leerer Stuhl geteilt, als Symbol für den leeren Stuhl bei der Verleihung des Friedensnobelpreises. Durch die kontroversielle Seebestattung wird nun auch eine Welle benutzt, um an Liu zu erinnern, wie der "Guardian" am Mittwoch berichtete. Doch auch viele der alternativen Symbole können die Zensur nicht mehr umgehen.

Nach welchen Kriterien die Bilder zensiert werden, konnten die Studienautoren nicht aufdecken. So kam es auch zu überraschenden Ergebnissen. Inhalte der chinesischen Regierung selbst wurden etwa Opfer der Zensur: Ein Bild einer Regierungserklärung konnte nicht verschickt werden. Andere potenziell sensible Bilder schafften es wiederum problemlos: Ein Bild vom Cover der "Charta 08" und eine Biografie Liu Xiaobos gingen durch.

Soziale Medien: "Inhalt ist illegal"

Noch stärker als auf We Chat wird auf Weibo, dem chinesischen Äquivalent zu Twitter, zensiert. Die Plattform entwickelte sich in den vergangenen Jahren zum Ort des öffentlichen Austauschs bei sensiblen Events. Dementsprechend wird dort seit langem der Name Liu Xiaobo zensiert. Doch auch auf Weibo hat sich der Bann nach Lius Tod intensiviert. Allein der Nachname Liu reicht nun aus, um blockiert zu werden.

"Das ist auch verboten?", fragte ein Weibo-User am 14. Juli und postete einen Screenshot von seinem Versuch, "Liu Xiaobo ist tot" zu versenden.
Foto: Citizen Lab

Nichtsdestotrotz zeigen die Studienautoren, dass auch auf Weibo Benutzer die Grenzen der Zensur austesten. Ein User versuchte am Tag nach Liu Xiaobos Tod, erst "Kerze" zu posten und dann die Zeile "Liu Xiaobo ist tot". Die Fehlermeldung war jedesmal: "Inhalt ist illegal." (Anna Sawerthal, 20.7.2017)