Wien – Die Steuerreform der abtretenden Bundesregierung, die 2016 in Kraft getreten ist, dürfte über den Wahltermin 15. Oktober 2017 hinausstrahlen. Die Entlastungen von insgesamt knapp fünf Milliarden Euro haben den Binnenkonsum stimuliert und zu einem Konjunkturaufschwung geführt, der nach Einschätzung der Industriellenvereinigung (IV) "zumindest bis Jahresende" anhalten wird.

"Die Aufwärtsdynamik hat sämtliche Wirtschaftszweige erfasst", sagte der Chefökonom der IV, Christian Helmenstein, bei der Präsentation des neuesten Konjunkturbarometers. Allerdings werde sie während der Sommermonate den Höhepunkt überschreiten. Das legten einige Indikatoren aus der jüngsten Umfrage nahe. Übertrieben viel gebe es bei der Herbstlohnrunde nicht zu verteilen, sagte IV-Generalsekretär-Stellvertreter Peter Koren.

Produktivitätsgewinn

Mitarbeiter sollten am Produktivitätsgewinn beteiligt werden; überzogene Lohnforderungen, wie erste Äußerungen von Gewerkschaftsseite vermuten ließen, seien kontraproduktiv. Um den lang ersehnten Aufschwung nach einer langen Phase der Stagnation abzusichern, bedürfe es eines investitionsfreundlicheren Klimas im Inland. Die Aufregung um die dritte Start- und Landepiste am Flughafen Wien habe Investoren stark verunsichert. Mit einer Punktation zu einem Standortentwicklungsgesetz, das nach Möglichkeit Eingang in das Programm einer wahlwerbenden Partei finden soll, versucht die IV den Interessen ihrer Mitglieder Gehör zu verschaffen.

Aufgabe der nächsten Bundesregierung sei es, die Entbürokratisierung voranzutreiben sowie die Steuer- und Abgabenquote zu senken – schrittweise von derzeit 43 Prozent auf 40 Prozent, in der darauffolgenden Legislaturperiode auf 37 Prozent. Dann hätten die Unternehmen, aber auch die Mitarbeiter mehr Luft zu atmen.

Bayern saugt Fachkräfte ab

Trotz der geopolitisch kritischen Lage ist die Stimmung in Österreichs Unternehmerschaft so gut wie schon lange nicht. Dies schlägt sich in der Umfrage der IV im zweiten Quartal nieder, an der 403 Unternehmen mitgewirkt haben. Das Konjunkturbarometer, das den Mittelwert aus den Beurteilungen der gegenwärtigen Geschäftslage und der Geschäftslage in sechs Monaten bestimmt wird, ist von 34 auf 39 Punkte gestiegen.

"Damit übertrifft das Barometer die Ergebnisse der vorherigen Hochphase in den Jahren 2010 und 2011 und erreicht seinen besten Wert seit neuneinhalb Jahren", sagte Helmenstein. Zum Vergleich: Den historisch höchsten Barometerstand gab es 1990 nach der Wiedervereinigung Deutschlands mit mehr als 60 Punkten. Gfk Austria attestiert den Österreichern "die beste Konsumlaune seit dem Jahr 2011".

In Westösterreich berichteten IV-Betriebe von Abwerbungsversuchen von Fachkräften nach Bayern. Dort gibt es nahezu Vollbeschäftigung und Betriebe suchen händeringend gut ausgebildete Arbeitskräfte. "Tirol, Salzburg, Bayern – das ist ein verschränkter Wirtschaftsraum. Da gibt es Bewegung in alle Richtungen. Wir haben keine Auffälligkeiten festgestellt", sagte Wilfried Beer vom Arbeitsmarktservice (AMS) Salzburg dem STANDARD.(stro, 19.7.2017)