Villach – Der Carinthische Sommer ist poetischer, unbekümmerter und verspielter geworden.

Im zweiten Jahr der Intendanz von Holger Bleck hatten manche noch langsam abklingendes Saturday-Night-Fever von der vortägigen Crossover-Party im alten Brauhaus, als Martha Labil alias Laschkolnig am Sonntagabend zum formellen Festival-Start an einem Seil vom Villacher Congress Center herabtanzte.

Vor einer Abweichung der Verankerung des Carinthischen Sommers an Drau und Ossiacher See warnten, na ja, halt die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden. Den kleinen, lokalpatriotischen Diskurs deckte der Kulturphilosoph Robert Pfaller mit einer launigen Festrede zu, in der er das Ereignis der Kunst als Anstoß zu Lebendigkeit der ganzen Gesellschaft zurückgab.

Da war der Horizont so weit, dass der Appell von Kulturminister Thomas Drozda für die Erhaltung des Sozialstaats gar nicht so nach Wahlkampf klang, sondern zumindest auch nach einer statthaften Ausdehnung des Kulturbegriffs.

Kärntens Kulturlandesrat Christian Benger begrüßte die geistliche vor der weltlichen Macht, als wäre Heinrich IV. Noch immer am Fußweg nach Canossa. Aber die Zeitbegriffe waren bei diesem Festakt sowieso verschoben: Landeshauptmann Peter Kaiser erklärte das Buffet für eröffnet, als es längst gestürmt war, und bald bezauberte das Wiener Kammerorchester unter Joji Hattori die Gäste mit einem einzigartigen Besuch in der vollkommen anachronistischen, dabei ganz und gar schönen musikalischen Kinderstube der zwölfjährigen Engländerin Alma Deutscher.

Alles wird gut

Pfaller hatte recht, seine philosophiehistorischen Überlegungen zur Kunst als Katalysatorin der Lebendigkeit dahin gehend auf die Spitze zu treiben: "Was sonst in meinem Leben geschehen ist, habe ich vergessen. Aber ich bin beim Carinthischen Sommer gewesen. Ich habe gelebt!"

Da wäre es kleinlich, mit einer Diskussion zeitgenössischer Stilfragen zu kommen. Alma Deutscher erzählt in naiven Harmonien so unmittelbar aus ihrer Märchenwelt, dass aller Ernst aus den Mienen der Orchestermusiker verfliegt. Der Spaß, den Joji Hattori am Pult sichtbar teilt, erfasst das ganze Auditorium. Alle bekommen große Ohren.

Wenn da und dort der Schatten des Wolfes auftaucht, bleibt doch immer die Gewissheit, dass alles ein gutes Ende nimmt, im ersten, teils neu bearbeiteten Violinkonzert von 2015 ebenso wie in der Uraufführung des heuer entstandenen Klavierkonzerts Nummer 1.

In beiden Stücken stand die kleine Ausnahmekünstlerin im Zentrum, zuerst mit der Violine, dann am Flügel, an dem sie als Zugabe schließlich auch noch ihre Improvisationskünste demonstrierte. Das Publikum jubelte. (Michael Cerha, 17.7.2017)