Jener Politiker, der den Bruch der Koalition ausgerufen und die vorgezogene Wahl herbeigeführt hatte, fehlte am Donnerstag im Parlament, als dieses den formellen Beschluss dazu fasste: Sebastian Kurz, neuer Chef der Volkspartei, zog einen Arbeitsbesuch in Südtirol der Nationalratssitzung vor. Kurz ist zu dieser Regierung schon so weit auf Distanz gegangen, dass er ihr nicht einmal die letzte Ehre seiner Anwesenheit erwies. Er hat längst abgeschlossen und nur noch das Neue im Sinn.

Anderen fiel der Abschied am Donnerstag schwerer. Der Beschluss zur Neuwahl wurde zwar in selten dagewesener Eintracht aller Parteien gefasst – aber mit Wehmut im Hintergrund. Der Abgesang war irritierend: Die beiden Koalitionspartner, die sich zuletzt so heftig bekämpft hatten, waren nett zueinander. Nicht innig, aber doch nett – und von Abrechnung keine Spur. Im Gegenteil. Der Kanzler, der Vizekanzler und die beiden Klubobleute lobten den Konsens und die gemeinsame Arbeit, blickten wohlig zufrieden zurück auf das Erreichte. So schlecht sei das doch gar nicht gewesen. Es sei viel weitergegangen und umgesetzt worden. Das Land stehe gut da. Hallo? Warum dann wählen? Es wäre angesichts der aufgesetzten Harmonie nicht weiter verwunderlich gewesen, wenn ein Redner im Parlament gesagt hätte: "Lasst uns doch weiterarbeiten – für Österreich."

Die Wahrheit ist: Der Neuwahlbeschluss ist eine Erlösung für das Land. Diese Regierung war – vor allem auf emotionaler Ebene – schlichtweg eine Katastrophe. Es herrschten Zank und Hader, angetrieben von einer ehrlichen und aufrichtigen Antipathie, die Rote und Schwarze gegeneinander hegten und pflegten – und das immer noch tun. SPÖ und ÖVP blieben keinen Beweis schuldig, dass sie nicht miteinander können und wollen. Was auch immer an sachlichen Beschlüssen umgesetzt wurde, wurde postwendend durch kleinlichen Streit schlechtgemacht.

Einen guten Teil der Verantwortung dafür trägt die ÖVP, die ihre Obmänner in immer kürzerer Zeit wechselte und mit Sebastian Kurz schließlich jemanden in Regierungsverantwortung hatte, der, getrieben vom Druck seiner Anhänger, die sich nach Neuem sehnten, die gemeinsame Arbeit konsequent torpedierte. Aber auch die SPÖ ließ kaum eine Gelegenheit aus, um gemeinsame Erfolge zu verhindern.

Beide Parteien haben maßgeblich dazu beigetragen, eine Regierungsbeteiligung der FPÖ nicht nur wahrscheinlich, sondern nahezu unausweichlich zu machen. Vielen Dank auch dafür. Die Grünen, in die man zu Beginn dieser Legislaturperiode noch Hoffnungen in Hinblick auf einen möglichst konstruktiven Beitrag in einer allfälligen nächsten Regierungskonstellation aus mehreren Parteien setzen konnte, haben sich durch ihre internen Querelen so lächerlich gemacht, dass sie sich selbst aus dem Spiel genommen haben. So haben auch sie ihren Teil dazu beigetragen, der FPÖ eine Rutsche in die nächste Regierung zu legen. Denn eines scheint klar zu sein: Ob Sebastian Kurz oder doch Christian Kern am Ende vorne liegen werden, sie werden auf die FPÖ angewiesen sein.

Inhaltlich haben beide die Positionen der FPÖ mittlerweile so weit aufgesogen, dass es fast keinen Unterschied mehr machen würde, wenn diese auch formal in einer Regierung vertreten wäre. Es stimmt schon: Dieser Regierung weint niemand eine Träne nach. Aber es kann immer noch schlimmer kommen. (Michael Völker, 13.7.2017)