Die Juristin Hannah Berger blickt hinter die Kulissen der Kleidungsproduktion.

Foto: Lorenz Dopplinger

Wien – Im Rahmen ihres Doktoratsstudiums am Juridicum Wien belegte Hannah Berger ein Seminar zum Thema Mode und Recht. "Das war einmal was ganz anderes", sagt die 28-jährige Rechtswissenschafterin. Ihr Interesse für die Textilproduktion war geweckt, und der gebürtigen Burgenländerin stellten sich weitere Fragen zur Branche, in der zeitgleich auch Fair Fashion ein zentrales Schlagwort wurde.

Berger wollte wissen, wo und wie unsere Kleidung produziert wird und welche Chemikalien dabei zum Einsatz kommen. Aus anfänglichem Eigeninteresse entstand schließlich ein spannender Forschungsbeitrag, der im kürzlich erschienenen Open-Access-Journal University of Vienna Law Review publiziert wurde. Berger, die am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Uni Wien tätig ist, erweiterte darin die Kernthemen Recht und Kleidungsproduktion um die Komponente Naturschutz.

"In jedem Schritt, von der Faserherstellung über das Färben bis hin zum Weben, werden viele Chemikalien verwendet, die teils extrem umweltschädlich sind", so Berger. Wird Kleidung innerhalb der EU produziert, ist der Einsatz derartiger Chemie reglementiert. Allerdings wird nur ein Bruchteil der verkauften Kleidung ausschließlich in der EU gefertigt. Schädliche Chemikalien können außerhalb der EU sehr wohl verwendet werden. "Sie dürfen sich bloß nicht in hoher Konzentration in unserer Kleidung finden", bringt sie es auf den Punkt.

Weshalb das Recht die Natur im Ausland nicht mitschützt, war und ist für Berger paradox: "Man könnte ja sagen: Kein Import von Stoffen, die in Bangladesch Flüsse verschmutzen", nennt sie einen Lösungsansatz. Zwar besitze das internationale Handelsrecht dafür Werkzeuge, zum Einsatz kommen sie allerdings nicht.

Um in puncto globaler Umweltschutz voranzukommen, gibt es auch abseits gesetzlicher Zwangsnormen Punkte, die nachjustiert werden müssten. Etwa bei Gütesiegeln, die zur Orientierung beitragen sollten, in überbordendem Ausmaß allerdings eher Verwirrung stiften.

"Unterschiedliche Kriterien machen es schwierig einzuschätzen, welcher und wessen Schutz tatsächlich hinter einem Siegel steht", sagt Berger. Gesetzliche Mindeststandards für Gütesiegel wären aus ihrer Sicht sinnvoll, "schließlich kennen wir auch das Greenwashing einzelner Unternehmen." Was hinter den umweltbewussten Linien mancher Modehäuser steckt, ist kaum festzustellen. Derlei Eigenzuschreibungen werden rechtlich nicht überprüft, hierfür fehlt die Grundlage.

Die Natur liegt der Burgenländerin sehr am Herzen, befeuert wurde sie auch von ihrer Familie. "Ich habe da sehr viel von meinem Vater mitbekommen, der ein glühender Naturschützer ist", schildert sie. Umso schwerer wiegt der Eindruck, den Berger in ihrer Forschung gewonnen hat: Zu oft würde die Verantwortung auf die Konsumenten abgewälzt. Natürlich könne die Gesellschaft etwa durch Boykott einzelner Modeketten Schritte setzen, aber auch das Recht müsse greifen und vorhanden sein. "Das Recht ist dazu da, gesellschaftliche Probleme zu lösen", sagt Berger nachdrücklich. "Deswegen habe ich es nie als trockene Materie empfunden, sondern als Möglichkeit der Gestaltung." (Marlene Erhart, 15.7.2017)