Ðuro Blanusa ist Generalsekretär des Balkan-Jugendwerks.

Foto: Ryco

Tirana/Sarajevo – Der kommende Mittwoch ist Ðuro Blanusas Tag. Wenn sich die Regierungschefs der Balkanstaaten Albanien, Serbien, Kosovo, Montenegro, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina ("Balkan-Sechs") in Triest treffen, wird das Büro für Regionale Jugendzusammenarbeit (Ryco) im Mittelpunkt der Veranstaltung stehen, zu der auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, Kanzler Christian Kern und Außenminister Sebastian Kurz anreisen.

Ryco ist ein Ergebnis des "Berlin-Prozesses", der 2014 von Merkel initiiert wurde und in dessen Rahmen einmal im Jahr ein Gipfeltreffen stattfindet – diesmal in Italien, 2015 war es in Wien. Der Berlin-Prozess soll die politische und wirtschaftliche Kooperation zwischen den EU-Anwärtern verbessern und Infrastrukturprojekte und das wechselseitige Verständnis in den Gesellschaften fördern.

Wirtschaftlich ist noch nicht viel passiert – deshalb ist Ryco die wichtigste Errungenschaft. Vorbild ist das Deutsch-Französische Jugendwerk (DFJW), das 1963 geschaffen wurde, um Jugendlichen beider Staaten die Chance zu geben, sich auszutauschen. Es ging um einen gemeinsamen Blick auf die Geschichte. Um den Abbau von Vorurteilen geht es auch dem Generalsekretär von Ryco, Djuro Blanusa. Denn von denen gebe es in der Region viel zu viele.

Negative Stereotype

Etwa 70 Prozent der Jugendlichen hätten Umfragen zufolge eine schlechte Meinung von den Menschen im Nachbarland, erzählt Blanusa dem STANDARD. Das hat vor allem mit dem völkischen Nationalismus zu tun, der von vielen Politikern seit den 1980ern bis heute beworben wird. Die negativen Stereotype sind aber auch so weit verbreitet, weil sich die Nachbarn oft einfach nicht kennen oder keine Ahnung von der Geschichte hätten.

Der Sitz von Ryco – über den viel gestritten wurde – ist in der albanischen Hauptstadt Tirana. Deshalb zieht Blanusa, der selbst aus Belgrad kommt, nun in das einzige Land der Balkan-Sechs, das nicht Teil Jugoslawiens war und deshalb auch ein weniger kompliziertes Verhältnis zu den Nachbarn hat. Der Mann, der in der Zivilgesellschaft und für die Regierung gearbeitet hat, weiß, dass es schwierig sein wird, die Politik rauszuhalten, sich nicht instrumentalisieren zu lassen.

Budget von 1,5 Mio. Euro

Im Verwaltungsrat von Ryco sind alle Jugendministerien vertreten. Die Balkan-Sechs haben ein Budget über eine Million Euro aufgestellt – die EU wird eine weitere halbe Million beisteuern. "So eine Zusammenarbeit der Regierungen hat es noch nie gegeben", meint Blanusa. Nun geht es darum, konkrete Projekte zu starten.

Ryco will sich vor allem an Schulen wenden, damit junge Menschen zwischen 15 und 30 Jahren Projekte einreichen können. Ganz gezielt soll es gerade um jene gehen, die nicht so offen, gebildet und weltläufig sind. Ein Treffen zwischen jungen Albanern und jungen Serben habe gezeigt, wie stark die Vorurteile seien, erzählt Blanusa.

Er denkt nicht, dass man die Arbeit des Deutsch-Französischen Jugendwerks einfach kopieren könne und solle. "Wir haben ja noch nicht einmal einen gemeinsamen Blick darauf, was in den 1990ern geschehen ist", meint der 40-Jährige, der ausdrücklich nicht als Vertreter Serbiens wahrgenommen werden möchte. Als er kürzlich den Kosovo besuchte, hinterließ er in Prishtina auch einen guten Eindruck.

Wichtig sei es, die Lehrer auszubilden, damit sie Projekte, die sensible Themen berührten, gut begleiten könnten, meint er. Bislang existieren etwa zum Thema Versöhnung keine Lehrinhalte. Blanusa denkt, dass es nun zentral sei, alle Bildungsministerien einzubinden, damit diese die Arbeit von Ryco auch aktiv in der Region bewerben könnten. Ein paar Vorbildprojekte gäbe es bereits, etwa die regionale Schreibwerkstatt "Auf halbem Weg". (Adelheid Wölfl, 10.7.2017)