Ein "gelungenes Zusammenspiel von Hitze und Kälte" lobte die Jury am Text des in der Steiermark geborenen Autors Ferdinand Schmalz, der bisher als Favorit für die Preisvergabe am Sonntag gilt.

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Klagenfurt – Wer einen Sitzplatz ergattern will, ist am besten eine dreiviertel Stunde vor Beginn da. Da fallen zwei Absperrbänder, daraufhin schieben sich zwei lange Schlangen die Treppen zum ORF-Theater hinauf und füllen die Sitzreihen auch schon voll. Bei sechs Stunden Bewerb täglich lohnt sich so ein Plätzchen. Dass es bequemere gibt – man soll nicht undankbar sein!

Vom Bürgermeisterinnenempfang auf Schloss Maria Loretto am Donnerstagabend gestärkt, ging es in den zweiten Lesetag. Der hatte seinen Höhepunkt früh. Ins Schwärmen geriet die Jury über Ferdinand Schmalz‘ Text über einen Tiefkühllieferanten, der als Komplize eines kuriosen Selbstmordes zum Leichentransporter werden soll. Erst am Klamauk zweifelnd, mischte der sich für Meike Feßmann schließlich mit Ernsthaftigkeit und fesselnden Reflexionen. Hubert Winkels fand darin eine Welt ohne außen und Unmengen von Motiven. "Makellos" nannte Sandra Kegel die Machart, die Figuren "randständig, wie man sie sonst in der Literatur nicht findet". Dagegen, dass jene "kleine Leute" seien, verwehrte sich Klaus Kastberger, woraufhin Winkels unter Kleine-Leute-Figuren eine Enge ortete, in der Sprache und Motive besonders "heiß" würden. Nur für Michael Wiederstein wirkten Schmalz‘ Kalauer "überdeckend". Und das Kunstidiom in der Sprache? Aus dem gehe alles hervor, so Kastberger, "so sind halt die österreichischen Texte – immer die Sprache!" Bisher ist Schmalz Favorit für die Preisvergabe am Sonntag.

"Grandios tonlos"

Während Feßmann an Verena Dürrs im Ton kühlen Text übers Kunstsammeln, den Film "Casablanca" und eine Liebe beklagte, er habe Reportagen zum Thema Zollfreilager nichts hinzuzufügen, keine eigene Stimme und keinen Eigensinn, lobte der Rest genau das. "Grandios, wie man es schafft, so tonlos zu erzählen", lobte Winkels, wie der Text stilistisch sein Sujet aufgriff. "Präzise" und "raffiniert" fielen ebenso. "Ein bisschen zu viel Kopf", schob STANDARD-Redakteur und Juror Stefan Gmünder zwischen "elegant" und "schön". Kastberger betonte die Gestaltung jenseits klassischer Narration und Figurenentwicklung.

Bei Barbi Markovic – Vorstellungsvideo! – sah Winkels den konkreten Textgehalt vor lauter Interpretationswille nicht. Wiederstein war von dem kuriosen Krimi rund um eine Wohnung, die sich auf wundersame Weise und tödlich gegen ihre in sie vernarrten Bewohner wendet, gelangweilt. Es geht darin auch um den Umgang mit Tradition, einen Vermieter mit Überwachungskameras und illegale migrantische Untermieter. Der Text tue Interpretationsfenster auf und vertue sie wieder, meinte Wiederstein dazu etwas zu streng. Dass sich manches aus der serbischen Herkunft der Autorin erkläre, galt ihm nicht, die sei ihm egal, der Text müsse auch ohne funktionieren. Da raunten manche im Publikum. Gmünder fand den "Schwebezustand" und die "Uneindeutigkeit" des Textes, der auf ein Duell zweier ungleicher Schwestern zuläuft, gut. Feßmann mochte daran, dass "Ironie und Ernst nicht wirklich auseinanderzuhalten sind", fand jene aber "runtergebetet".

Kapitalismus und Liebe

Die letzten beiden Termine gehörten nun zwei Nicht-Österreichern: Jackie Thomae und Jörg-Uwe Albig. Erstere traf mit ihrem Text über einen Migranten, der beim Putzjob in einer fremden Wohnung unsere Wohlstandswelt entdeckt und nicht versteht, ein wichtiges Thema, dem er zwar facettenreich begegnete, aber sich in Nebensächlichem und bloßen Beschreibungen verlierend schließlich flach gegenübertrat. Das Potential zum Porträt zweier Milieus, zu Fragen hinsichtlich Political Correctness und Plattformkapitalismus habend, "verliert er auf der Strecke seine Evidenz" (Kegel).

Albig wiederum fand für seine Liebesgeschichte zwischen einem Mann und einer Kapelle nur Feßmann, die ihn eingeladen hatte, als Fürsprecherin. "Überladen", meinten die anderen, als "missglückte Schönheits-OP" empfand Kastberger ihn stilistisch. "Ich weiß nicht, ob man so heute noch schreibt", wunderte sich Kegel ob einer "Pseudopoetisierung". Der erste Text heuer über die Liebe, merkte Gmünder an. Dafür war ihm Feßmann dankbar und beklagte: "Enttäuschend, dass so eine Runde keine klassische Liebesgeschichte mehr versteht", schließlich handle es sich bei der Objektophilie des Protagonisten um eine Übertragung. Nicht alle wollten das nachvollziehen.

Zum Abschluss am Samstag lesen Eckhart Nickel, Gianna Molinari, Maxi Obexer und Urs Mannhart. (wurm, 7.8.2017)