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Damit sich die Demonstranten nicht zu Gewalt verabreden können, verbot Hamburg vorübergehend ein Protestcamp. Viele G20-Gegner suchten daher anderswo eine Herberge.

Foto: Reuters / Wolfgang Rattay

"Total cool, dass die Kirche das macht." Milan ist überwältigt von so viel Gastfreundschaft. Der 27-jährige Wiener ist nach langer Zugfahrt aus Österreich in Hamburg angekommen, hatte keine Ahnung, wo er unterkommen sollte, aber sitzt jetzt zufrieden auf dem bereits ziemlich lädierten Rasen der evangelischen St.-Johannis-Kirche in Hamburg-Altona.

Dort sieht es aus wie im Ferienlager. Viele bunte kleine Zelte ducken sich unter alten Bäumen. Aber man ist natürlich nicht zum Relaxen hier. "Es geht um Protest. Gegen den Gipfel, gegen den Kapitalismus", sagt Milan. Man sollte alles gerechter auf der Welt verteilen. Wie genau das funktionieren könnte, weiß er auch nicht. Aber: "Es fängt immer mit Protest an. Der hat schon viele Staatschefs zum Abdanken gebracht, und wir werden immer mehr."

Die Stadt landete vor Gericht

Matti, eine Gärtnerin aus der Schweiz, nickt zustimmend. Zwei Tage schon ist sie hier, hat an zahlreichen Demonstrationen gegen den Gipfel teilgenommen und die Nächte im Kirchencamp verbracht. "Hier können wir schlafen. Da könnte sich Hamburg ein Beispiel nehmen", sagt sie.

Die Hansestadt jedoch war auf einem ganz anderen Dampfer. Sie wollte kein Camp, in dem die Protestierenden unterkommen und sich organisieren. Es folgten die üblichen juristischen Auseinandersetzungen, schließlich entschied das Oberverwaltungsgericht Hamburg, dass auf der Halbinsel Entenwerder doch Zelte stehen dürfen. Denn: Die Polizei habe "nicht hinreichend" belegt, dass das Camp als Ausgangspunkt für Blockaden und Straftaten dienen könnte.

Besetzungen im Zentrum

Aber die Entscheidung kam spät, sehr viele, die protestieren wollen, waren schon in der Stadt. Also entschieden die Veranstalter: Das Camp wird nicht mehr aufgebaut. Sprecher Branco Geiger erklärte: "Wir freuen uns, dass in der Folge von Entenwerder in der Stadt Besetzungen stattfinden."

Wie eben im Park der Johanniskirche. "Yes, we camp", dieser Slogan steht ganz groß auf einem Transparent vor dem Gotteshaus. "Wir haben die Menschen nicht eingeladen. Aber jetzt dulden wir sie als unsere Gäste", sagt Pastorin Vanessa von der Lieth. Denn: "Die Leute müssen ja irgendwo schlafen, die können nicht auf der Straße nächtigen." Es sei schließlich immer schon Aufgabe der Kirche gewesen, Schutzräume zu bieten.

Was tun, wenn "viele Cops kommen"?

Doch die Camper passen auch gut auf sich selbst auf. Feinsäuberlich sind auf einem Zettel Regeln für den Umgang mit der Polizei aufgelistet: "Wenige Cops kommen und wollen Verantwortlichen sprechen – Infopunkt Bescheid sagen, kein Alarm", heißt es da. Und weiter unten: "Viele Cops kommen und kündigen Räumung an (...) – Alarm auslösen, Camp schützen, aber keine Panik verbreiten."

Eingesprungen, um beim Übernachten zu helfen, sind aber auch noch andere Hamburger Institutionen. Nachdem sich im Netz die Falschmeldung verbreitet hatte, das Schauspielhaus nehme unter dem Motto "Bühne frei für Isomatten" Schlafgäste auf, standen plötzlich sehr viele Interessierte vor dem Theater.

Isomatten im Theater

"Wir haben keine Einladung ausgesprochen", stellte Sprecher Nils Wendtland klar. Doch weggeschickt wurde dann auch niemand. Rund einhundert Herbergssuchende konnten in den Gängen und im Foyer nächtigen.

Da wollte der legendäre Fußballklub St. Pauli nicht hintanstehen und öffnete am Donnerstag sein Stadion am Millerntor. In der Nähe der Haupttribüne wurden 200 Schlafplätze zur Verfügung gestellt. "Mit unserer Entscheidung setzen wir ein klares Zeichen für Menschenrechte, Meinungsfreiheit und das Demonstrationsrecht", erklärte der Verein, der für seine vielen linksalternativen Fans bekannt ist.

Rund um die Messe Hamburg, wo die Gipfelteilnehmer am Freitag zusammenkommen, sieht es so aus, wie es sich jeder Hamburg-Tourist wünscht: Es fahren keine Autos, die Straßen sind weitgehend leer. Massives Polizeiaufgebot war am Nachmittag am Fischmarkt zugegen. Dort war die Kundgebung vor jener Demonstration geplant, die unter dem Motto "Welcome to Hell" stand.

In der Nacht auf Donnerstag waren in einem Hamburger Porsche-Zentrum acht Autos ausgebrannt. Der Brand wurde vorsätzlich gelegt, es fand sich kein Bekennerschreiben. Die Polizei prüft einen Zusammenhang mit dem Gipfel. (Birgit Baumann aus Hamburg, 6.7.2017)