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Die Glühbirne steht sinnbildlich für die E-Wirtschaft, wie sie einmal war und wohl nie wieder sein wird. Neue Technologien à la Blockchain, auf der unter anderem die Kryptowährung Bitcoin basiert, halten Einzug.

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Schitter: Jede Branche hat Zeiten, in denen sie sich stark verändert. Die E-Wirtschaft hat viele Veränderungen schon hinter sich.

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In der Stromlandschaft Österreichs, die lange Zeit wie eine Schrebergartensiedlung mit hochwachsenden Hecken rundum wirkte, bleibt kein Stein auf dem anderen. Drittanbieter drängen mit Vehemenz herein, die Börsenpreise sind am Boden. Und jetzt noch Blockchain, eine Art digitaler Kontoauszug, wo alle Transaktionen fälschungssicher und dezentral in einer Kette gespeichert sind. Diese Technologie könnte den Markt weiter aufmischen.

STANDARD: Wo geht es rasanter zur Sache – in der Holzindustrie, wo Sie bis 2011 tätig waren, oder in der Stromwirtschaft, in die Sie anschließend gewechselt und deren Präsident Sie jetzt sind?

Schitter: Ohne Strom geht nichts. Die Strombranche ist jene, um die sich viele andere drehen.

STANDARD: Die E-Wirtschaft ist stärkeren Veränderungen unterworfen, als es die Holzindustrie je war?

Schitter: Jede Branche hat Zeiten, in denen sie sich stark verändert. Die Energiewirtschaft hat schon viele Veränderungen hinter sich und noch große Herausforderungen vor sich. Den ersten großen Umbruch gab es vor 17 Jahren mit der Strommarktliberalisierung. Dann kam 2008/9 die Energiewende, jetzt die Digitalisierung.

STANDARD: Kurz bevor Sie von Kaindl zur Salzburg AG gewechselt sind, ist am 11. März 2011 die Atomkatastrophe von Fukushima passiert. Manche sagen, in der Folge habe es eine Reihe von Fehlentscheidungen gerade auch in der deutschen Energiepolitik gegeben.

Schitter: Fukushima hat gezeigt, dass das, was unsere Unternehmen gemacht haben, nämlich stark und nachhaltig auf erneuerbare Energien zu setzen, richtig war. Ich halte es grundsätzlich auch für richtig, dass man alternative Erzeugungstechnologien, von Photovoltaik über Biomasse bis Windenergie, gefördert hat. Jetzt aber ist die Zeit gekommen, dass die Technologien, nachdem sie so lange unterstützt wurden, langsam in den Markt hineinwachsen.

STANDARD: Trauen Sie sich eine Prognose zu, wie die Energielandschaft in Österreich 2030 aussieht?

Schitter: Die Strategiepapiere, die jedes Unternehmen und Österreichs Energie für die gesamte Branche ausgearbeitet haben, gehen im Wesentlichen davon aus, dass mehr Strom im Energiesystem sein wird und dass dieser in einem weit höheren Maß als jetzt schon aus erneuerbaren Quellen stammt. Auch wird es mehr Partizipation von Dritten geben, sprich Integration neuer Marktteilnehmer aus den Bereichen Photovoltaik, Biomasse und Windenergie.

STANDARD: Spielt Blockchain, eine Technologie, die derzeit einen Hype erlebt, in diesem Szenario eine zentrale Rolle?

Schitter: Eine zentrale Rolle spielt für uns die Innovation. Erstens, um Mehrwert für die Kunden zu generieren, etwa mit neuen, niederschwelligen Angeboten. Zweitens geht es auch um Kostenoptimierungen, indem mittels neuer Technologien der Automatisierungsgrad erhöht wird.

STANDARD: Blockchain geht weiter?

Schitter: Die Blockchain-Technologie fällt wie vieles andere auch in die Digitalisierungsthematik. De facto gibt es noch nicht viele Anwendungen. Blockchain bedeutet zunächst, dass Transaktionen durch sogenannte Smart Contracts abgebildet werden, was zu einer Beschleunigung der Geschäftsbeziehung Erzeuger/Kunde führt. Es gibt noch viele ungeklärte Sachen in puncto Sicherheit, Regulierung et cetera. Wir stehen am Anfang und probieren selbst erst aus, was möglich und machbar ist.

STANDARD: Wie könnte diese Technologie die bestehende Hierarchie beeinflussen – da Energieerzeuger, dort Stromverbraucher, in der Mitte Stromhändler?

Schitter: Dergestalt, dass es die Funktion des Zwischenhändlers nicht mehr braucht. Damit ließen sich Kosten sparen.

STANDARD: Also Chancen für die Stromwirtschaft?

Schitter: Wir sehen viele Chancen, nicht nur, dass sich die Transaktionskosten im Stromhandel verringern lassen. Auch neue Geschäftsmodelle könnten daraus entstehen.

STANDARD: Die Regulierungsbehörden hinken der Entwicklung nach?

Schitter: Das würde ich gar nicht sagen. Jetzt wird erprobt, ob und wie Blockchain funktionieren kann. Erst wenn wir wissen, ob und wie wir das für unsere Kunden nutzen können, ist es Zeit zu überlegen, welche regulatorischen Maßnahmen es braucht. Zum Beispiel, wie wir mit dem Thema Datensicherheit umgehen. Da bin ich mir sicher, dass Österreichs Energiewirtschaft bei den Kunden punkten kann. Unsere Vertrauenswerte sind diesbezüglich hoch.

STANDARD: Und Risiken? Haben Sie keine Angst, dass noch mehr Branchenfremde in den Markt drängen und Ihnen das Wasser abgraben?

Schitter: Das sehe ich nicht als neues Problem. Wir haben uns auch immer mit Themen beschäftigt, die uns dann in andere Bereiche hineingezogen haben – Stichwort Telekommunikation, Breitband. Ich sehe den Wettbewerb als Riesenchance und Blockchain als etwas, das möglicherweise andere Unternehmen anlockt. Aber das beflügelt uns auch.

STANDARD: Im Grunde ist Ihre Branche der Urvater oder zumindest der Opa der Datenaggregation?

Schitter: Ich sehe unsere Branche als Ermöglicher. Mit unserem Know-how sind die Technologieunternehmen im Land in der Lage, neue Standards zu setzen. Wir gehen ganz bewusst in neue Geschäftsmodelle. Vor zwei Jahren hat kaum jemand mit dem Thema Blockchain etwas anfangen können. Wer hat es gemacht? Wir. Wir verfügen über die Daten und gehen sehr vertraulich damit um.

STANDARD: Mit den Daten wussten Sie bisher aber wenig anzufangen, verglichen mit dem, was Google, Facebook oder andere Silicon-Valley-Unternehmen tun?

Schitter: Das sehe ich nicht so. Wir gehen in neue Bereiche, mit Kombi-Angeboten zum Beispiel, immer zum Nutzen der Kunden und nur dann, wenn der Kunde es will.

STANDARD: Das sind die neuen Geschäftsmodelle, von denen man oft hört, aber bisher noch wenig sieht?

Schitter: Die sind schon da, und das wird noch mehr werden.

STANDARD: Trotzdem gibt es Stromhändler, die billigst einkaufen und den etablierten Stromversorgern preislich um die Ohren fahren?

Schitter: Ich bin nicht gegen Wettbewerb, im Gegenteil – damit wir uns noch stärker damit beschäftigen, brauchen wir den, das ist nicht anders als vorher.

STANDARD: Täuscht der Eindruck oder versuchen Sie, Entwicklungen hinauszuzögern – Stichwort Smart Meter, wo sie jetzt um zwei bis drei Jahre Aufschub ansuchen?

Schitter: Davon kann keine Rede sein. Im europäischen Vergleich sind wir den meisten weit voraus.

STANDARD: Andererseits weiß die Branche seit langem, dass bis 2019 95 Prozent Abdeckung mit Smart Meter erreicht werden soll?

Schitter: Wir haben viel Arbeit investiert, mit Anbietern gesprochen und darauf gedrängt, dass die Messgeräte intelligenter werden. Erst jetzt gibt es Modelle am Markt, die diese Eigenschaften haben.

STANDARD: Könnte der smartere Zugang dazu führen, dass der Frauenanteil in der E-Wirtschaft steigt?

Schitter: Die Energiewirtschaft ist jetzt schon weiblich. Klar ist, dass wir eine technologie- und techniklastige Branche sind. Wir haben aber nicht nur Strom, sondern auch Wärme, Mobilität, Telekommunikation, Elektromobilität ...

STANDARD: ... überall mit mehr Frauen als im Strombereich.

Schitter: Da wir uns mit so vielen spannenden Dingen beschäftigen, wie Innovation und Digitalisierung, und auch in neue Geschäftsfelder gehen, bin ich überzeugt, dass das die Branche noch attraktiver macht, auch für Frauen. (Günther Strobl, 7.7.2017)