Was ist passiert?

Nordkorea hat laut eigenen Angaben erfolgreich eine Interkontinentalrakete getestet. Das Geschoß vom Typ Hwasong-14 habe eine Höhe von 2.802 Kilometern erreicht und sein Ziel nach genau 39 Minuten Flugzeit präzise getroffen. Nordkorea habe die Fähigkeit, überall auf der Welt Ziele mit Raketen zu treffen.

2.802 Kilometer klingt aber gar nicht so viel, oder?

Die Distanz, die eine Interkontinentalrakete erreicht, wenn sie aus einem steilen Winkel abgeschossen wird, entspricht bei weitem nicht jener, die sie im flachen Winkel erzielen kann. Das Geschoß, das Nordkorea am Dienstag abfeuerte, kam mit 2.802 Kilometern mehr als sechsmal höher als die internationale Raumstation ISS. Im flachen Winkel entspricht das laut dem Sicherheitsexperten David Wright von der Wissenschafterorganisation Union of Concerned Scientists einer Reichweite von etwa 6.700 Kilometern.

Wäre das ein großer Fortschritt im nordkoreanischen Raketenprogramm?

Eine Rakete mit dieser Reichweite könnte den US-Bundesstaat Alaska erreichen. Experten zufolge ist Nordkorea allerdings noch Jahre davon entfernt, eine Interkontinentalrakete mit einem nuklearen Sprengkopf bestücken zu können. Das Friedensforschungsinstitut Sipri schätzt zwar, dass Nordkorea über zehn bis 20 Atomsprengköpfe verfügt. Die Studienautoren lassen aber offen, ob die Entwicklung ausreichend vorangeschritten ist, damit die Atomsprengköpfe klein und leicht genug sind, um von einer Rakete transportiert werden zu können.

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In Tokio laufen Fernsehübertragungen des angeblichen nordkoreanischen Tests einer Interkontinentalrakete.
Foto: AP Photo/Shizuo Kambayashi

Ist die Behauptung Nordkoreas glaubwürdig?

Nicht unbedingt. Nordkorea behauptete etwa Anfang 2016, eine Wasserstoffbombe getestet zu haben, was Experten unter anderem wegen der zu schwachen Erschütterungen bezweifelten. Südkoreas Präsident Moon Jae-in sagte, dass das am Dienstag getestete Geschoß vermutlich eine Mittelstreckenrakete gewesen sei. Das Militär prüfe aber, ob es sich um eine Interkontinentalrakete handele. Dem russischen Verteidigungsministerium zufolge habe die Rakete eine Höhe von nur 535 Kilometern erreicht und sei etwa 510 Kilometer weit geflogen, ehe sie vor Japan ins Meer gestürzt sei. Kim Dong-yub, Militärexperte an der Kyungnam-Universität in Seoul, sagte allerdings, der Test scheine erfolgreich gewesen zu sein. "Aus einem Standardwinkel abgefeuert, könnte die Rakete eine Reichweite von mehr als 8.000 Kilometern haben."

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Wie sieht Nordkoreas Raketenarsenal aus?

Neben U-Boot-Raketen verfügt Nordkorea über mehrere Modelle bereits erfolgreich getesteter Kurzstreckenraketen, die eine Reichweite zwischen 150 und 500 Kilometern haben. Als einsatzbereit gelten die drei Typen KN-02, die Hwasong 5 und Hwasong 6.

Auch vier Typen von Mittelstreckenraketen wurden bereits getestet, darunter Musudan und Taepodong-1. Sie verfügen über eine Reichweite von 800 bis 5.500 Kilometern.

Nordkorea verfügt zudem über zwei Typen von mehrstufig gebauten Interkontinentalraketen: Taepodong-2 und KN-08. Diese haben eine Reichweite zwischen 5.500 und 11.500 Kilometern. Die Taepodong-2 wurde inzwischen dreimal getestet – als Nordkorea im Februar 2016 ein erfolgreicher Satellitenstart gelang, diente als Träger eine Unha-3, eine Weiterentwicklung der Taepodong-2.

Grafik: Standard

Wie reagierte man international auf den Raketentest?

Die USA verurteilten den Start der Trägerrakete, der demonstrativ auf den amerikanischen Unabhängigkeitstag fiel. US-Präsident Donald Trump rief China zum Eingreifen auf und griff auf Twitter Machthaber Kim Jong-un an: "Hat dieser Typ nichts Besseres zu tun in seinem Leben?" Es sei schwer zu glauben, dass sich Südkorea und Japan "das noch sehr viel länger bieten lassen". Vielleicht werde China einen "erheblichen Schritt" unternehmen, "und diesen Unsinn ein für alle Mal beenden".

Die japanische Regierung erklärte, solche wiederholten Provokationen seien absolut inakzeptabel: "Der Start einer ballistischen Rakete ist ein klarer Verstoß gegen die Resolutionen des UN-Sicherheitsrates." Japans Ministerpräsident Shinzo Abe kündigte an, auf dem am Freitag in Hamburg beginnenden G20-Gipfel die Solidarität der internationalen Gemeinschaft gegen Nordkorea einzufordern.

China, das bis vor kurzem als wichtigster Verbündeter Pjöngjangs galt, rief zur Zurückhaltung auf. Die UN-Resolutionen hätten die nordkoreanischen Raketentests klar geregelt, und China lehne es ab, dass gegen diese Regeln vorgegangen werde, sagt Außenamtssprecher Geng Shuang in Peking. (maa, 4.7.2017)