Bild nicht mehr verfügbar.

Emmanuel Macron inszeniert sich als Mann im Zentrum des politischen Systems. Nicht alle im Parlament sind davon begeistert.

Foto: AP / Eric Feferberg

Ein 39-jähriger Staatschef am symbolträchtigen Königshof – aber vor rund 900 Parlamentariern: Dieses ungewohnte Bild bot am Montag der französische "Kongress", eine Zusammenfassung von Nationalversammlung und Senat. Die Verfassung erlaubt erst seit 2008 – auf Betreiben des damaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy -, dass der Staatschef das Parlament einberuft und ihm ins Gewissen redet. Nachfolger François Hollande hatte von diesem neuen Recht nur einmal Gebrauch gemacht, um nach den Terroranschlägen von 2015 an den Zusammenhalt zu appellieren.

Macron nutzte die Gelegenheit, um seine "tiefgehenden Reformen" für Frankreich zu präzisieren. Er kündigte an, er wolle das Mehrheitswahlrecht durch "eine Dosis Proporz" ergänzen, um kleineren Parteien zu einer gerechteren Vertretung zu verhelfen. Profitieren würden wohl die Grünen, die Linke und der rechte Front National. Die Zahl der Parlamentarier will Macron zugleich um ein Drittel reduzieren. Diese Vorschläge gedenkt er eventuell via Referendum durchzusetzen.

Macron warb auch für sein wichtigstes Programm, die Reform des französischen Arbeitsrechts, und für den Abbau des Defizits. Der im Zuge der Terroranschläge eingeführte Ausnahmezustand soll im Herbst beendet und in ein reguläres Gesetz überführt werden. Das werde "unter Aufsicht der zuständigen Richter" geschehen, versicherte der Präsident mit Blick auf skeptische Menschenrechtsverbände. Andere Kritiker warfen Macron darauf vor, er unterbreite den Franzosen nur die konsensuelle Wahl- und Parlamentsrevision zur Abstimmung, nicht aber die umstrittene Arbeitsmarktreform. Sie will der Präsident sogar per Dekret verabschieden, um das langwierige Abstimmungsverfahren in der Nationalversammlung zu vermeiden.

Seit seiner Wahl vor knapp zwei Monaten auf präsidiale Machtsymbole erpicht, kündigte Macron an, er werde in Zukunft einmal jährlich vor den Kongress treten. Diese Absicht wird von Grünen, Linken und Zentrumsdemokraten als Verstoß gegen die Gewaltentrennung zurückgewiesen. Sie boykottierten auch am Dienstag die "Vorladung" des Präsidenten.

Die französischen Medien wetteiferten am Montag mit Ausdrücken, um den Machtanspruch des jungen Präsidenten ironisch zu umschreiben und ihn als "Pharao", als "Jupiter" oder gar "Göttergott" zu bezeichnen. Der Linksabgeordnete François Ruffin erklärte, er habe "keine Lust, dem neuen Sonnenkönig zuzuhören" – und besuchte einen Behindertenverein in seinem Wahlkreis. Die Revolte gegen Macrons eineinhalbstündigen Auftritt hat auch politische Motive: Die Kommunisten und das "Unbeugsame Frankreich" des linken Jean-Luc Mélenchon unterstellten dem Staatschef den "Willen, das Parlament zu unterwerfen". Das entspringe dem gleichen Geist wie die Politik der Dekrete, mit denen er seine umkämpfte Arbeitsmarktreform durchdrücken wolle.

Verfassungsrechtler kritisieren zudem, Macron desavouiere mit seiner groß inszenierten Rede seinen eigenen Premier Edouard Philippe, indem er ihm vor dessen eigener Regierungserklärung am Dienstag zuvorkomme. Auch dieser Affront unterstreiche, wie der Präsident das Gleichgewicht der institutionellen Kräfte umstürze. Macron erklärte in seiner Rede, er lege die großen Linien fest – der Premier werde sie "umsetzen".

23-jähriger verhaftet

Kurz vor Macrons Auftritt war ein Attentatsplan gegen den Präsidenten bekanntgeworden. Die Justiz erklärte, sie habe am Samstag einen 23-Jährigen verhaftet, der am Nationalfeiertag auf den Champs-Elysées einen Anschlag auf Macron verüben wollte. Der selbst erklärte "Nationalist", der auch "Schwarze, Araber, Juden und Homosexuelle" ins Visier nehmen wollte, habe über Internet ein Sturmgewehr zu kaufen versucht und sei dabei der Polizei gemeldet worden. Bei seiner Verhaftung griff er die Polizisten mit einem Messer an. 2016 war er wegen Verherrlichung des norwegischen Rechtsterroristen Anders Behring Breivik in Haft. Sein Plan erinnert an einen anderen Rechtsextremisten, der 2002 auf den Champs-Élysées auf den damaligen Präsidenten Jacques Chirac angelegt hatte, von Zuschauern aber gestoppt wurde. (3.7.2017)