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Papst Franziskus gewährt dem Deutschen Kardinal Gerhard Ludwig Müller keine zweite fünfjährige Amtszeit als Dogmenhüter im Vatikan.

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Der aus Spanien stammende Kurienerzbischof Luis Francisco Ladaria Ferrer ist am Samstag von Papst Franziskus zum neuen Präfekten der Römischen Glaubenskongregation ernannt worden.

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Berlin/Vatikanstadt – Nur zwei Tage nach der vorübergehenden Beurlaubung seines "Wirtschaftsministers", Kardinal George Pell, hat sich Papst Franziskus von einem noch wichtigeren führenden Mitarbeiter im Vatikan getrennt. Kardinal Gerhard Ludwig Müller (69), oberster Glaubenshüter der römisch-katholischen Kirche, muss nach fünf Jahren an der Spitze der Römischen Glaubenskongregation sein Amt niederlegen.

Und zwar für immer. Der Papst gewährt ihm keine zweite fünfjährige Amtszeit. Er ernannt am Samstag den aus Spanien stammenden Kurienerzbischof Luis Francisco Ladaria Ferrer zum neuen Präfekten der Römischen Glaubenskongregation.

Ladaria Ferrer, der wie Franziskus dem Jesuitenorden angehört, wurde 2008 vom damaligen Papst Benedikt XVI. zum Sekretär der vatikanischen Glaubenskongregation ernannt. Damit war er zweiter Mann nach dem Präfekten der Behörde und in den vergangenen Jahren der wichtigste Mitarbeiter Müllers. Als Sekretär hatte er die Aufgabe, die tägliche Arbeit der Glaubenskongregation zu koordinieren.

Die Nachricht von Müllers Abberufung, die für Außenstehende wie ein bloßes Stühlerücken unter Kardinälen klingen mag, hat im Vatikan die Ausmaße eines schweren Erdbebens. Als "Säuberung" bezeichnete ein hochrangiger Kenner der Materie den Vorgang – wobei offenbleibt, ob dies im Anklang an den Sprachgebrauch diktatorischer Regime zu verstehen ist oder als eine notwendige Reinigung, wie sie auch schon Joseph Ratzinger einst gefordert hatte.

Für Kenner der vatikanischen Verhältnisse kommt die Trennung keineswegs überraschend. Schon im ersten Jahr seines Pontifikats hatte Papst Franziskus in einem offiziell nie bestätigten Gespräch mit lateinamerikanischen Ordensleuten gesagt, was er von der dogmatisch reglementierenden Rolle der Glaubenskongregation hielt: Wenn man von der Behörde wegen unkonventioneller Seelsorgemethoden einen mahnenden Brief erhalte, sollte man den höflich beantworten, dann aber weitermachen wie bisher, so seine damalige Empfehlung.

Grenze zwischen katholisch und nicht-mehr-katholisch

Und wenn Kardinal Müller den Papst darauf hinwies, dass bestimmte, einseitige Ausdeutungen der katholischen Theologie gegen das Lehramt verstoßen, ermunterte Franziskus ihn, einen Artikel in der Vatikanzeitung "Osservatore Romano" zu schreiben. Die Artikel blieben folgenlose Meinungsäußerungen. Das war ein Affront für einen Mann, der in der Nachfolge seines Lehrmeisters Joseph Ratzinger meinte, er könne und solle weiterhin verbindlich entscheiden, wo die Grenze zwischen katholisch und nicht-mehr-katholisch verläuft.

Auch bei seinem forschen Zugehen auf die traditionalistischen Piusbrüder entmachtete Franziskus den Pius-Kritiker Müller weitgehend: Er gab dem eigentlich Müller unterstehenden Verhandlungsführer Guido Pozzo weitgehende Entscheidungsbefugnis in diesem Prozess. Seither erhält die Piusbruderschaft schrittweise immer neue Rechte auch in der normalen Seelsorge – allen dogmatischen Bedenken zum Trotz.

Ganz schwierig wurde das Miteinander nach den strittigen Bischofssynoden zum Thema Familie und dem daraus entwickelten Papstschreiben "Amoris laetitia" (2016). Mit ihm eröffnete der Papst Katholiken in zweiter Ehe unter bestimmten Voraussetzungen den Zugang zu den Sakramenten. Immer wieder versuchte Müller den Spagat, dem Papst und der Synode gehorsam zu folgen, andererseits aber vor allzu liberalen Auslegungen dieser vorsichtigen Öffnung zu warnen. Der Papst seinerseits unterstützte jedoch genau diese Ausführungsbestimmungen.

Die Zweifel der deutschen Kardinäle

Als vier konservative Kardinäle – darunter die Deutschen Joachim Meisner und Walter Brandmüller – dem Papst ihre "dubia" (Zweifel) an der moraltheologischen Innovation veröffentlichten, machte Müller deutlich, dass er diese Kritik inhaltlich für legitim hielt. Er kritisierte lediglich die Tatsache, dass die vier Kardinäle diesen Streit mit dem Papst öffentlich auszutragen versuchten und damit der Einheit der Kirche schadeten.

Dass es zwischen dem argentinischen Papst und dem deutschen Dogmenhüter zum Eklat kommen würde, zeichnete sich schließlich vor einigen Monaten ab. Damals wurde im Vatikan bekannt, dass der Papst drei verdiente Mitarbeiter Müllers fristlos entlassen hatte. Ihre einzige Schuld habe darin bestanden, dass sie den kirchenpolitischen Kurs des Papstes kritisierten. Müller verwahrte sich im Mai in einem Interview des konservativen katholischen Fernsehsenders EWTN gegen dieses Vorgehen. Spätestens an diesem Punkt war das Zerwürfnis nicht mehr zu übersehen.

Ob es neben theologischen und dienstrechtlichen Fragen noch andere Gründe für den Papst gab, die Zusammenarbeit mit Müller zu beenden, ist in Rom und in Deutschland derzeit Gegenstand von Spekulationen. Mindestens ebenso interessant ist die Frage, wie es mit der Glaubenskongregation weitergeht. Dass Franziskus die Stelle des Präfekten mit einem Mann besetzt, der ihm theologisch näher steht, liegt auf der Hand. Möglicherweise wird er aber auch schon bald die Chance nutzen, die dogmatische Macht der Glaubensbehörde weiter zu beschneiden und sie noch mehr zu einem "dienenden Werkzeug" der Weltkirche umzubauen.

Müller bleibt und will wissenschaftlich arbeiten

Müller selbst hat überrascht auf seine Ablösung als Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation reagiert. "Differenzen zwischen mir und Papst Franziskus gab es nicht", sagte Müller am Samstag der Mainzer "Allgemeinen Zeitung".

Der Papst habe aber beschlossen, ab sofort nur noch Amtszeiten von fünf Jahren zuzulassen. "Ich war der Erste, bei dem er das umgesetzt hat." Franziskus habe ihm die Entscheidung am Freitag persönlich mitgeteilt.

Müllers fünfjährige Amtszeit an der Spitze der mächtigen Glaubenskongregation endet offiziell an diesem Sonntag. Müller will trotzdem auch künftig in Rom bleiben: "Ich bleibe Kardinal, werde wissenschaftlich arbeiten, ich habe genug zu tun." Der 69-Jährige, der aus Mainz-Finthen stammt, hält sich dem Bericht zufolge an diesem Wochenende in seiner Heimatstadt auf, weil er mit früheren Klassenkameraden sein 50-jähriges Maturajubiläum feiert. An diesem Sonntag soll der Kardinal nach Informationen der Zeitung auf Einladung des Mainzer Domkapitels um 10.00 Uhr ein Pontifikalamt im Mainzer Dom halten.

Jesuit und Professor für Dogmatik

Der neue Präfekt Ladaria Ferrer wurde am 19. April 1944 in Manacor (Mallorca) geboren und trat nach einer Universitätsausbildung als Jurist 1966 bei den Jesuiten ein. Sein Philosophie- und Theologiestudium absolvierte der Spanier an der Päpstlichen Universität Comillas und an der Jesuiten-Hochschule St. Georgen in Frankfurt am Main. 1975 erwarb er einen theologischen Doktortitel an der römischen Universität Gregoriana; im selben Jahr übernahm er eine Professur für Dogmatik in Madrid.

1984 wechselte Ladaria Ferrer als Ordinarius für Dogmatik an die Gregoriana, an der er von 1986 bis 1994 als Vize-Rektor wirkte. Papst Johannes Paul II. berief den Ordensmann 1992 in die Internationale Theologenkommission, 1995 zusätzlich als Berater in die Glaubenskongregation. (APA, Ludwig Ring-Eifel/Kathpress 1.7.2017)