Der Ausblick von der Hamburger Elbphilharmonie ist wirklich grandios. Der Hafen, all die "Pötte", die auf der Elbe schippern, rechts das Panorama der Hansestadt, die berühmte Michel-Kirche sticht natürlich besonders heraus. Das alles werden die Staats- und Regierungschefs der G20 sehen, wenn sie am 7. Juli in der neuen Elbphilharmonie zunächst Beethovens 9. Sinfonie lauschen und dann ein paar Häppchen einnehmen. Die Werber der Stadt hoffen auf tolle Bilder, denn diese gehen schließlich um die Welt und sollen "Elphi", das neue Wahrzeichen Hamburgs, noch bekannter machen.

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In der Hamburger Elbphilharmonie werden US-Präsident Donald Trump und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel einem Konzert lauschen. Sicherheitskräfte probten schon Ende Mai für den Ernstfall.
Foto: REUTERS/Fabian Bimmer

Rund drei Kilometer weiter nordwestlich ist man nicht so sehr auf Hochglanz bedacht. Aber Interesse an Bildern, die alle Welt sieht, hat man auch. "Welcome to Hell", sagt Sven und grinst. Er sitzt auf einem abgewetzten Sessel in der Roten Flora, dem legendären autonomen Zentrum im Schanzenviertel, und erklärt das Motto der großen G20-Gegendemo: "Es wird für die Delegierten die Hölle sein. Wir werden massiven Widerstand leisten, sie sollen keine Beschlüsse fassen können."

So sieht sie wieder einmal aus, die Lage vor einem großen Gipfel. Natürlich ist Deutschland nicht ohne Erfahrung: 2007 fand im Ostseebad Heiligendamm (Mecklenburg-Vorpommern), auch schon unter Leitung von Kanzlerin Angela Merkel, der G8-Gipfel statt. Im Sommer 2015 trafen sich die G7 im bayerischen Schloss Elmau. Auch da waren tausende Polizisten im Einsatz.

Aber einen Gipfel in derartiger Dimension hat es in Deutschland noch nie gegeben. Allein die US-Delegation umfasst 600 Personen. Insgesamt werden 6.000 Delegierte und 4.800 Journalisten erwartet. Saudi-Arabien hat alle 156 Zimmer und Suiten im noblen Hotel Vier Jahreszeiten reserviert.

Grafik: Standard

Wo US-Präsident Donald Trump wohnt, wird offiziell nicht bekanntgegeben. Aber seit Wochen ist zu hören, dass er Schwierigkeiten hatte, bei seinem ersten Deutschland-Besuch eine Herberge zu finden. Ein Luxushotel wollte ihn nicht, da es Sorge vor Randalierern hatte. Dann hieß es, er werde in der US-Botschaft in Berlin nächtigen und per Hubschrauber eingeflogen. Schließlich erklärte der Hamburger Senat – aber nur ganz grundsätzlich – er stelle sein Gästehaus, eine noble klassizistische Villa, zur Verfügung.

Die Stadt soll stolz sein

Warum überhaupt Hamburg? So genau weiß man es nicht. Aber irgendwer musste Angela Merkel mitsamt ihren Gästen ja aufnehmen. Es heißt, Hamburg habe sich bereiterklärt, das Spektakel zu ertragen, erwarte von der Bundesregierung dafür aber Unterstützung bei seiner Bewerbung für Olympia 2024. Die Leistung muss Merkel nicht mehr erbringen, da die Hamburger letztendlich per Bürgerentscheid die Bewerbung ablehnten. Aber der Gipfel blieb an der Hansestadt hängen, und so bemüht man sich dort, das Beste daraus zu machen.

Hamburg stehe für freien Handel und sei liberal, sagt Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). Er ist sich sicher: "Am Ende wird die Stadt stolz sein." Zuvor jedoch ist sie – zu einem großen Teil – genervt, hat Angst vor Randalen, Verkehrsstaus, Polizeikontrollen. Eine Umfrage des "Hamburger Abendblattes" ergab: Am kommenden Gipfelwochenende, wenn neben Trump auch der russische Präsident Wladimir Putin und sein türkischer Kollege Recep Tayyip Erdogan ankommen, will jeder dritte Bewohner die Stadt verlassen.

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Bereits am Montag wurde in Hamburg gegen den G20-Gipfel demonstriert.
REUTERS/Fabian Bimmer

Auch Nikolas Hill ist nicht besonders begeistert vom Großereignis. "Niemand hat die Bürgerinnen und Bürger gefragt, ob wir diesen Gipfel wollen", sagt der frühere Hamburger Kulturstaatsrat. Andererseits: "Man kann die Staats- und Regierungschefs ja nicht auf einen Flugzeugträger verbannen. Und eigentlich sollen sie sich auch stellen." Daher hat er die Initiative Haltung.Hamburg gegründet und bietet auf dieser Plattform Möglichkeiten, um seine Meinung zum Gipfel auszudrücken. Man will ein "friedliches Zeichen für Weltoffenheit, Toleranz und demokratische Grundwerte setzen".

"Größter schwarzer Block"

Aktivisten wie Hill mag nicht nur Bürgermeister Scholz, sondern auch die Polizei: Menschen, die sich einiges einfallen lassen, die aber friedlich demonstrieren wollen. Doch es werden natürlich auch noch ganz andere ihre Reise nach Hamburg antreten. Die Polizei rechnet mit 8.000 gewaltbereiten Demonstranten aus dem In- und Ausland. Als besonders kritisch gilt die für 6. Juli angesetzte Demo "Für eine solidarische Welt – G20 Hamburg – Welcome to Hell!". Die Veranstalter haben den "größten schwarzen Block, den es je gab", angekündigt.

Sven aus der Roten Flora wird natürlich auch dabei sein. Dass jetzt im Vorfeld schon so viel über gewaltbereite Aktivisten spekuliert wird, versteht er nicht: "Von uns geht die Gewalt nicht aus. Uns werden Demonstrationsrechte entzogen, und es ist der Staat, der sich bewaffnet."

Die Polizei sieht das naturgemäß ein wenig anders und rüstet sich. "Wir sind so gut vorbereitet wie noch nie", sagt Polizeipräsident Ralf Martin Meyer und gibt als Losung für die kommenden Tage aus: "Null Toleranz."

Weite Teile der Innenstadt sind demofreie Sperrzone. Im Stadtteil Harburg wurde ein provisorisches Gefangenenlager für 400 Menschen errichtet. Rund 20.000 Polizeikräfte werden im Einsatz sein.

Gerangel um das Camp

Verzichten musste man allerdings auf drei Hundertschaften aus der Hauptstadt. Weil die Berliner Polizisten bei der Vorbereitung durch Exzesse jeglicher Art im Mannschaftsquartier auffielen, wurden sie wieder nach Hause geschickt. Wie heiß die Stimmung wird, hängt auch davon ab, wie und wo die Gegner nun in Hamburg unterkommen können. Ein generelles Verbot der Stadt Hamburg für ein Camp im Stadtpark hat das Bundesverfassungsgericht bereits einkassiert, jetzt wird um Details und Auflagen gefeilscht. Zur Sicherheit hat die Polizei diese Woche übrigens auch einen alten Wasserwerfer der linken Szene in St. Pauli beschlagnahmt.

Im Hamburger Stadtpark erklärten Demonstranten diese Woche noch "Wir sind hier und wir werden campen".
Foto: APA/dpa/Christina Sabrowsky

Was die Sicherheit betrifft, so hat die Polizei noch ein zweites Bedenken: jenes hinsichtlich eines Terroranschlags. Das Magazin Focus berichtet, die Regierung erwäge, ein Kriegsschiff in den Hamburger Hafen zu verlegen – offiziell, weil an diesem Wartungsarbeiten nötig seien. Doch man wolle im Fall eines Anschlages die Staatsgäste schnell aus der Stadt, auf die Nordsee, hinausbringen.

Und dann soll es ja beim Gipfel auch noch um Inhalte gehen. Handel und Wachstum zählen zu den wichtigsten Themen. Merkel und ihre europäischen Kollegen werden versuchen, Trump von einer Abschottung abzuhalten und gleichzeitig zu Zugeständnissen in der Klimapolitik zu bewegen. "Hamburg ist ein Gipfelort, der dank des Hafens seit Jahrhunderten als Leuchtturm des freien Handels wahrgenommen wird", sagte Merkel vorab, man konnte es als Wink mit dem Zaunpfahl verstehen.

Dissens mit den USA

Zwar ist es Merkel wichtig, dass vom Gipfel ein starkes Signal ausgeht. Aber sie hat auch erklärt, man könne die Unterschiede zu den USA nicht einfach totschweigen. "Der Dissens ist offenkundig. Es wäre nur unaufrichtig, wenn wir ihn übertünchen würden. Das werde ich jedenfalls nicht tun." Gleichzeitig aber mahnt sie, dass die größten Industrieländer ihrer Verantwortung auch für den Rest der Welt gerecht werden müssten.

Ein weiterer Schwerpunkt ist Afrika. Man wolle die "Partnerschaft mit afrikanischen Staaten weiter vertiefen", um zu Wirtschaftswachstum und Stabilität "auch über die Grenzen der G20 hinaus beizutragen", heißt es im Papier der deutschen Bundesregierung. Dahinter steckt das Kalkül, dass bei besserer Hilfe weniger Menschen flüchten.

Auch die Themen Terrorbekämpfung, Gesundheit, Digitalisierung und Frauenrechte stehen in Hamburg auf der Tagesordnung. Für Gastgeberin Merkel steht außer Frage: "Nur gemeinsam können wir in all diesen Fragen etwas erreichen." (Birgit Baumann, 1.7.2017)