Foto: Lisi Specht
Fotos: Lisi Specht
Fotos: Lisi Specht
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Die Künstlerin und Designerin Sabine Ott hat's in ihrer Wohnung in Wien-Brigittenau gern karg und leer, obwohl ihr Wohnzimmer schon einmal babyblau war. Einzig Tante Hilde tut sich mit dem Wohnstil schwer.

"Ich hab's gern karg. Mir gefallen weiße, leere, nackte Räume, in denen kein Gramm Zeug zu viel ist. Das ist meine Ästhetik. Vielen anderen, die zu Besuch sind, gefällt dieses inszenierte Nichts ebenso gut. Die Einzige, die sich mit meiner Wohnung schwertut und mich immer wieder fragt, wann der Umbau denn endlich abgeschlossen sein wird, ist Tante Hilde. Tante Hilde, muss man wissen, wohnt wunderschön, aber ganz anders. Ich finde es spannend, wie viele schöne Welten es gibt. Meine Welt ist eben eine "in progress".

"Ich liebe es, mit alten Materialien zu arbeiten und den Dingen eine ganz neue Idee zu geben." Sabine Ott in ihrem wandelbaren Ess- und Arbeits- und Modeschauzimmer.
Foto: Lisi Specht

Die Kargheit hat natürlich in erster Linie ästhetische Gründe. Aber nicht nur. Es geht auch um Funktionalität. Nachdem Wohnen und Arbeiten in dieser Wohnung zusammenfallen, muss die Wohnung in der Lage sein, rasch vom einen Zustand zum anderen zu mutieren. Am besten zeigt sich die Wandelbarkeit an diesem Zimmer. Da wird genäht, gearbeitet, gegessen, gewohnt und entworfen. Manchmal ist der Chor zu Besuch, manchmal gibt es Essensgelage, manchmal lade ich zu Modeschauen und Atelierbesuchen ein. Mit wenigen Handgriffen ist der Tisch verschoben, die Stange an der Wand demontiert, der Boden von Staub und Stoffresten befreit.

Fotos: Lisi Specht

Die Wohnung hat 120 m² und befindet sich in einem Jugendstilhaus zwischen Augarten und Wallensteinplatz am Rande des 20. Bezirks. Von außen wirkt das Haus schäbig und abgefuckt. Ich bin vor 18 Jahren eingezogen und wohne hier nun mit meinem Mann Alexander. Er ist Architekt und arbeitet bei Coop Himmelb(l)au. Das Kantige und Metallische hat es uns beiden angetan. Wir haben die Wohnung gemeinsam gestaltet und gestalten sie auch weiter. So eine Wohnung ist nie fertig. Sie ist immer im Wandel.

Ein besonderer Moment war, als wir uns vor vier Jahren endlich entschlossen haben, eine Zentralheizung zu installieren. Davor waren wir zwar ziemlich abgehärtet, Kälte war unser ständiger Begleiter, und in kalten Wintermonaten haben wir das Eckzimmer einfach abgesperrt und stillgelegt. Aber irgendwann reicht's dann. Neue Fenster haben wir auch. Die sind zwar unendlich hässlich, aber auch unendlich praktisch.

Fotos: Lisi Specht

Eines meiner Lieblingsmöbel ist dieser lange, zusammenklappbare Esstisch. Den hat 1988 mein Papa für mich geschweißt. Und weil er so praktisch ist, wollte ich noch einen zweiten, aber nachdem ihm ein Schwein beim Füttern den Finger abgebissen hat, kann er nicht mehr schweißen. So habe ich den zweiten Tisch mit meinem Freund Andreas nachgebaut. Ist ganz gut geworden.

Überhaupt ist vieles hier selbstgemacht, zusammengesammelt und auf die eine oder andere Art upgecycelt. Unser Wohnzimmersofa war einmal eine Siebzigerjahre-Ledercouch. Das Leder habe ich abgezogen, den alten Schaumstoff bis auf den Holzkorpus entfernt und durch neue Pölster aus Baumwolle ersetzt. Und der Couchtisch ist ein alter Spiegel mit dazumontierten Beinen. Vor vier Jahren habe ich eine heiße Teekanne darauf abgestellt, dann hat es über die ganze Länge klirr gemacht. In drei Jahren ist meine Pechsträhne vorbei.

Fotos: Lisi Specht

Außerdem haben wir alte Truhen, Lampen aus selbstgenähten Kleidern und einen Küchentisch, der früher ein Waschtisch war. Ich liebe es, mit alten Materialien zu arbeiten, Sichtweisen zu verändern, den Dingen eine ganz neue Idee und Perspektive zu geben. Das beflügelt mich. Bis auf ein Mal. Da haben wir die Wohnung für einen Werbedreh vermietet, und das Filmteam hat unser Wohnzimmer in einen Container gesteckt, die Wände gestrichen und den schönen, kargen Raum in einen hellblauen Mädchentraum mit Puppenküche und Laura-Ashley-Vorhängen verwandelt. Ich muss sagen, das war schon ziemlich strange." (3.7.2017)