George Pell gab eine Sportlerkarriere zugunsten des Priesterseminars auf.

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Es war der 8. Juni 1941, als im australischen Ballarat George Pell geboren wurde. Just in dem Ort, der später als eines der Epizentren des Missbrauchsskandals um die katholische Kirche im Land bekanntwurde. Der Ort, an dem 1971 laut royaler Untersuchungskommission alle männlichen Lehrer und der Kaplan der St. Alipius Christian Brothers Boys School Kinder missbraucht hatten.

Pell kam als Sohn des englischen Einwanderers und Schwergewichtsboxers George Arthur und dessen streng katholischer Frau Margaret Lillian zur Welt. Als Kind wurde er 24-mal wegen eines Geschwürs am Hals operiert und wegen seiner Bandage gehänselt. Respekt verschaffte sich Pell beim Sport: als Leichtathletikchampion und Topspieler im Australian Football. 1959 unterschrieb der damals 18-Jährige einen Profivertrag beim Richmond Football Club, dem er bis heute als Schirmherr erhalten blieb. Doch schon bald ließ er die vorprogrammierte Sportlerkarriere hinter sich, weil er den "Ruf Gottes hörte", wie Pell später in Interviews sagen wird. Er trat 1960 dem Priesterseminar in Werribee nahe der Metropole Melbourne bei.

Steiler Aufstieg

Drei Jahre später zog Pell in die Heilige Stadt und setzte sein Studium an der Päpstlichen Universität Urbaniana fort. 1966 wurde er zum Priester geweiht. Es folgte ein steiler Aufstieg in der Kirchenhierarchie.

Nach einem Doktorratsstudium der Kirchengeschichte in Oxford kehrte er nach Australien zurück – auch nach Ballarat. Zwischen 1973 und 1983 war Pell in verschiedenen Funktionen in der Diözese tätig. Auch als Berater des Bischofs, der damals erwiesenermaßen Priester, die Kinder missbrauchten, von Pfarre zu Pfarre siedelte, um ihre Taten zu vertuschen. Pell streitet bis heute ab, jemals davon gewusst zu haben.

Als er 1996 schließlich zum Weihbischof von Melbourne ernannt wurde, verantwortete er das umstrittene "Towards Healing"-Programm, das den Umgang der Kirche mit Missbrauchsopfern regelte und Entschädigungszahlungen bei einem niedrigen Betrag deckelte. 2003 zum Kardinal ernannt, stimmte Pell in den Konklaven 2005 und 2013 für die Päpste Benedikt XVI. und Franziskus. Letzterer berief ihn in den angesehenen Kardinalsrat und ernannte ihn 2014 schließlich zum Chef des Wirtschaftsministeriums. Diese Funktion legte Pell nun vorübergehend nieder. Er muss sich bald selbst gegen Missbrauchsvorwürfe in Australien verteidigen. (Bianca Blei, 29.6.2017)